„Am Sonntagabend spüre ich immer diese Unruhe“, sagt Sophia M.* (*Namen geändert), Lehrerin an einer Gesamtschule in einem Problembezirk des Ruhrgebiets. Vor allem denkt sie an Maria*, die sie am Montag unterrichten wird und die sie bis in ihre Träume verfolgt. Maria bringt keine Unterlagen mit, verweigert die Mitarbeit und wird bei gezielten Aufforderungen oft ausfällig. Sophia hat einen hohen Anspruch an sich selbst und will, dass niemand in ihrer Klasse auf der Strecke bleibt.
Reflektieren, was bei Beteiligten abläuft
So kommt es immer wieder zum Schlagabtausch mit Maria. Sophia verschafft ihrem Ärger Luft und untergräbt damit ihre eigene Autorität in der Klasse. Eltern haben sich schon über Sophia beschwert, auf einer Elternpflegschaftssitzung wurde Sophias Unterrichtsstil von einigen scharf kritisiert. Ihr wurde deutlich: Um mit diesem Druck zurechtzukommen, braucht sie Unterstützung.
Seit sie Supervision in Anspruch nimmt, hat sich nicht alles verändert, aber sie hat eine neue Haltung gewonnen: „Ich beziehe nicht mehr alles auf mich, ich sehe auch die Not der Schülerin.“ Durch gezielte Übungen hat sie Möglichkeiten entdeckt, gelassener zu reagieren – und sie kann in der Nacht von Sonntag auf Montag wieder durchschlafen.
Es ist der schulische Alltag, der in der Supervision zur Sprache kommt und aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick genommen wird. Seit nunmehr 15 Jahren bietet das Pädagogische Institut der Evangelischen Kirche von Westfalen in Schwerte-Villigst (PI) Supervision für Lehrerinnen und Lehrer an.
„Wenn es Supervision nicht bereits gäbe, müsste man sie erfinden“, davon ist Volker S.*, Lehrer an einem großen Berufskolleg, fest überzeugt. „Als Lehrer an einem Berufskolleg habe ich es an manchen Tagen mit mehr als hundert verschiedenen Menschen zu tun. Die jungen Erwachsenen bringen so unterschiedliche Voraussetzungen mit – familiär, kulturell, religiös. Dass es da ab und an ‚kracht‘, ist kein Wunder. Dann einen Ort zu haben, an dem man das Geschehene mit Abstand sortieren kann, ist ein Segen. In der Supervison kann ich schauen, was meine Anteile sind und in welchen Fällen die Ursachen vielleicht ganz woanders liegen.“
Supervision wird sowohl als Einzelsupervision als auch als Gruppen- oder (Teil-)Organisationssupervision angeboten. In der Einzelsupervision nehmen sich Lehrkraft und Supervisor meist 90 Minuten Zeit, um die mitgebrachten Situationen auf kreative Weise zu bearbeiten.
Supervision eröffnet neue Perspektiven
Gruppensupervision hat den Vorteil, dass gleich mehrere Lehrer und Lehrerinnen ihre Kompetenz und ihren Erfahrungsschatz einbringen, um ein Problem zu bearbeiten. Egal ob es dabei um Unterrichtssituationen geht oder auch um Konflikte im Kollegium oder mit der Schulleitung. Eine Faustregel besagt: Alles, worüber ich länger als drei Minuten nachgrübele, hat in der Supervision einen Ort. Keinen Platz hat in der Gruppensupervision Besserwisserei oder Rechthaberei. In der Gruppensupervision kann die Phantasie und Kreativität der Gruppe als Ressource genutzt werden. Ob diese Ideen für den Einzelnen weiterführend sind, entscheidet jeder für sich selbst.
Neben der Supervision bietet das PI auch Personorientierte Trainings an, die auf die Profession des Lehrers und der Lehrerin zugeschnitten sind und in denen zielgerichtet neue Verhaltensoptionen eingeübt werden wie zum Beispiel ‚Lösungsorientierte Gesprächsführung‘, ‚Entspannungs- und Resilienztraining gegen Schulstress‘ oder ‚Wirkungsvolle Elterngespräche führen‘.
Darüber hinaus unterstützt das PI auch Projekte, die das Thema „Gesundheit an der Schule“ voranbringen. Denn die Forschung hat eindeutig nachgewiesen: Lehrerinnen und Lehrer, die selbst gern in die Schule gehen, sind seltener krank und geben zugleich einen Unterricht, der den Schülerinnen und Schülern mehr Freude macht.
• Weitere Informationen im Internet: www.lehrergesundheit-nrw.de