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Zocken ohne Grenzen – Wie barrierefrei ist Gaming?

Hören statt sehen, die Technik hilft, doch manches bleibt recht mühsam: Toni Barth ist blind und zockt leidenschaftlich gern. Aber Barrierefreiheit in Videospielen ist noch längst keine Selbstverständlichkeit.

Wellenrauschen. Ein schwarzer Bildschirm. Ein Schriftzug. Eine Stimme raunt die Namen der Entwicklerfirmen: “Sony Computer Entertainment präsentiert”. Nächster Bildschirm: “Naughty Dog.” Vogelgezwitscher, wieder ein Wechsel. Und endlich nennt die Stimme den Titel des Spiels: “The Last of Us. Remastered.” Noch mehr Wellenrauschen und Vogelgezwitscher, dann: ein eingeschlagenes Fenster.

Die raunende Stimme, die Vögel, die Wellen – Toni Barth kann all das hören. Nur das Fenster, durch das nun wildes Grünzeug wuchert, das sieht er nicht. Davon, dieses Spiel zu spielen, hält ihn das allerdings nicht ab. Es sei eines der ersten Videospiele gewesen, das er auch als blinder Gamer ohne große Probleme habe spielen können, sagt er.

Rückblick: “Ich habe schon früh angefangen”, erzählt Toni Barth, wenn man ihn fragt, wie das mit ihm und dem Gaming begonnen hat. Hauptsächlich der Gameboy hatte es ihm damals angetan: “Da hab ich immer versucht, herauszufinden, wie ich trotzdem zocken kann.” Er setzte sich zu sehenden Freunden dazu, lauschte, ließ sich alles erklären – und versuchte zu lernen, welche Geräusche was bedeuten, welche Musik und Soundeffekte es gab und wie er selbst all das umsetzen konnte. “Pokemon” begeisterte den heute 30-jährigen.

Gaming fasziniert Toni Barth noch immer. So sehr, dass er Spieleentwicklung studierte und mittlerweile als Dozent an der Hochschule Anhalt in Köthen arbeitet. Und doch: Oft genug klappt es auch im Jahr 2025 noch nicht mit der Barrierefreiheit in Videospielen. Dabei zählen sich laut einer YouGov-Umfrage von 2024 in Deutschland rund zehn Millionen Spielerinnen und Spieler zu Menschen mit Behinderung.

Es gibt ganz unterschiedliche Behinderungen und damit auch verschiedene Hindernisse, die Gamern das Leben schwer machen. Toni Barth besitzt mittlerweile einen digitalen Werkzeugkoffer, um einige dieser Barrieren zu umgehen. Dialoge oder Menütexte in Spielen kann er sich von Tools vorlesen lassen. Manchmal braucht er Anleitungen aus dem Internet, was genau er tun muss, damit seine Figur etwa von A nach B läuft. “Ohne Internet wäre das sehr viel mühseliger”, sagt er.

Bei der Messe “SightCity”, die im Mai in Franfurt stattfand, gab es einen eigenen Programmbereich zu barrierefreiem Gaming. Und auch Barth sagt: Viel habe sich getan, um Spiele für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglicher zu machen. Also für diejenigen, die nicht – wie er selbst – vollständig blind sind. So könne man etwa unterschiedliche Farben einstellen oder Kontraste erhöhen. Auch für Menschen mit motorischen Schwächen gebe es Entwicklungen: “Zum Beispiel viele Controller, die einhändig bedienbar sind oder von Menschen mit muskulären Schwächen benutzt werden können.” Schwierig sei es, wenn die Person vor PC und Konsole komplett blind oder gehörlos sei. “Da ist noch viel Experimentieren nötig.”

Dabei fehlt es nach Barths Erfahrung nicht am guten Willen – nur an der Umsetzung. “Spieleentwickler wollen Spiele oft zugänglich machen. Aber wenn von oben die Entscheidung kommt ‘Das geht nicht, dafür haben wir kein Geld’, dann hat man als Entwickler ganz unten in der Nahrungskette keine Entscheidungsfreiheit.” Viele entwickelten das Spiel zunächst und wollten es im Nachhinein zugänglich machen. “Das ist der falsche Ansatz”, sagt Barth. Sinnvoller sei es, Menschen mit Behinderungen schon in der Planung beratend hinzuzuziehen.

Dass es in Games so viele Barrieren gibt – das liegt laut Felix Falk, Geschäftsführer des game-Verbands der deutschen Games-Branche, an der Komplexität der Spiele. “Sie verbinden wie kein anderes Medium eine Vielzahl an Komponenten und Systemen in den Bereichen Grafik, Ton und Steuerung. Das macht die Entwicklung von barrierefreien Spieleerlebnissen besonders herausfordernd.” Ein Game-Design, das von Anfang an möglichst viele Barrieren berücksichtige, brauche spezielles Know-how sowie einen hohen technischen und damit auch finanziellen Aufwand. “Insbesondere kleinere Spiele-Entwickler werden hier aufgrund knapperer Ressourcen vor Herausforderungen gestellt.”

Toni Barth versucht seine Studierenden für das Thema zu sensibilisieren. Er engagiert sich außerdem im “Netzwerk barrierefreies Gaming”, das es seit Herbst 2024 gibt. Dorthin können sich etwa Spieleentwickler wenden, die Tester brauchen. Die Mitglieder diskutieren, teilen neue Tipps und Entwicklungen miteinander. “Aktuell geht es zum Beispiel viel um die Frage, was Künstliche Intelligenz in der Gaming-Industrie tun kann, insbesondere für Menschen mit Behinderungen”, verrät er.

Eines stört ihn aber, wenn Anfragen kommen und etwa Redner für Events gesucht werden: “Wenn Leute etwas für Barrierefreiheit tun wollen, dann mit möglichst wenig Ausgaben.” Kaum jemand sei bereit, für die entsprechende Expertise auch ein Honorar zu zahlen. Lächerlich findet Barth das. Dabei gehe es doch um Freiheit: “Ziel dieser ganzen Maßnahmen, das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu bringen, ist doch, dass es keine Rolle mehr spielen sollte, ob jemand eine Behinderung hat oder nicht.”