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Zentrales politisches Thema

Die Gesellschaft altert und braucht mehr Pflegekräfte. Die aber fehlen. Auch wegen der hohen Belastung in dem gesamten Berufsfeld. Verschiedene Maßnahmen sollen Abhilfe schaffen

Fachkräftemangel in allen Bereichen. So sieht die aktuelle Situaion in der Pflege aus. Und das obwohl das Thema auf politischer Ebene auf verschiedene Weise angegangen wurde und die Zahl der in Krankenhäusern und Heimen beschäftigten Pflegekräfte im vergangenen Jahr angestiegen ist.
Die Pflege ist zwar ein Jobmotor, doch der aktuelle Zuwachs reicht nicht aus, um den wachsenden Bedarf der alternden Gesellschaft zu decken. Insgesamt waren in der Altenpflege im vergangenen Jahr knapp 583 000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, gut 20 000 mehr als im Vorjahr. In der Krankenpflege stieg die Beschäftigtenzahl von 1,04 auf 1,06 Millionen.

In der Altenpflege fast 24 000 Stellen unbesetzt

Doch der Personalnotstand nimmt zu: 2018 seien fast 40 000 Stellen in der Pflege unbesetzt gewesen, berichtete Anfang Januar das „Handelsblatt“ unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit (BA). Altenpflegedienste verzeichneten 23 862 Vakanzen für Fachkräfte und Helfer; in der Krankenpflege waren im Jahresdurchschnitt 15 707 offene Stellen gemeldet. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 waren 23 300 Stellen in der Altenpflege und 14 700 in der Krankenpflege unbesetzt.
Vor allem in der Altenpflege hat sich die Situation verschärft. Hier herrsche in allen Bundesländern Fachkräftemangel, so das „Handelsblatt“. Gemeldete Stellen für Fachkräfte sind im Schnitt 183 Tage unbesetzt; auf 100 Stellenangebote kamen nur 25 Arbeitslose.
Seit Jahren warnen Experten vor einer wachsenden Personalnot in Krankenhäusern und Heimen. Dennoch wurden Pflegestellen wegen Kostenersparnis abgebaut. Das aber führte bei den Beschäftigten zu Zeitdruck und wachsender Arbeitsverdichtung: Laut dem Gesundheitsatlas der Betriebskrankenkasse BKK von 2017 haben „besorgniserregend viele Pflegekräfte aufgrund der Arbeitsbedingungen einen kritischen Gesundheitszustand“. Die Beschäftigten seien besonders oft von psychischen sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen betroffen, heißt es. Die Zahl der Frühverrentungen liege weit über dem Durchschnitt in anderen Gesundheitsberufen. Fast drei Viertel der Kräfte in der Altenpflege arbeiten in Teilzeit.
Spätestens mit der Bundestagswahl 2017 ist die Pflege zu einem zentralen politischen Thema ge-worden: Die Würde der Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen werde „tausendfach verletzt“, schleuderte ein junger Krankenpfleger Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Wahlkampfdebatte der ARD entgegen.
Mittlerweile sind Weichen neu gestellt: Im Koalitionsvertrag hat die große Koalition versprochen, für flächendeckende Tariflöhne in der Altenpflege zu sorgen. Zum 1. Januar trat das sogenannte Pflege-personalstärkungsgesetz in Kraft, mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn unter anderem 13 000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege schaffen will. Mit Blick auf die Krankenhäuser soll ab 2020 eine Mindestpersonalausstattung verpflichtend sein.

Pflegekosten nicht pauschal abrechnen

Erstmals werden die Krankenkassen auch dazu verpflichtet, die Kosten für das Personal in der Krankenhauspflege eins zu eins zu finanzieren. Auch sollen die Kosten für Pflege ab 2020 nicht mehr über die Fallpauschalen abgewickelt werden – was Anreize für mehr Pflegestellen schafft. Für Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Job sieht das Gesetz in der Pflege bis 2024 bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr vor. Einrichtungen, die ihre Mitarbeiter durch Technik von Bürokratie entlasten, sollen ebenfalls gefördert werden.
Über dieses Sofortprogramm hinaus will die Bundesregierung ein Gesamtkonzept für ein attraktiveres Berufsfeld Pflege entwickeln. Dazu haben Spahn, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Familienministerin Franziska Giffey im Sommer 2018 eine „Konzertierte Aktion Pflege“ ins Leben gerufen, in der Politik, Arbeitgeber und rund 50 Organisationen das Ruder herumreißen wollen. Bis Mitte 2019 sollen Vorschläge vorgelegt werden.
Es geht unter anderem um eine Ausbildungsstellen-Offensive und die verstärkte Anwerbung ausländischer Pflegekräfte – ein Feld, bei dem Hürden wie die Visavergabe und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse für Kummer sorgen. Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats, will insbesondere die Pflegekräfte zurückholen, die wegen Arbeitsüberlastung und Frust den Beruf verlassen oder sich auf Teilzeit zurückgezogen haben.