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ZDF-Reportage über Kiosk-Kultur zwischen Trend und Tradition

Früher Bier und Zigaretten, heute Heimat – Kioske sind Kulturorte und inzwischen oftmals bedroht. Eine Reportage zeigt, was zwei Kioskbetreibende tun, um ihr Geschäft zu retten.

Früher war es der schnelle Stopp, um Zigaretten zu holen oder dort sein Feierabendbierchen zu trinken. Auch für einen netten Plausch zwischendurch war und ist der Kiosk als zentraler Anlaufpunkt für viele Menschen immer gut und wichtig. Längst aber haben sich Kioske zu kleinen Läden mit großem Sortiment entwickelt. Die ZDF-Dokumentation “37 Grad: Der Kiosk: Kaffee, Bier und Emotionen” berichtet am 30. September um 22.15 Uhr über den Kiosk als ein Stück Heimat. Droht bald das Ende einer langen Tradition? Warum viele der kleinen Lädchen gefährdet sind und was konkret zwei Betreibende dagegen tun, zeigt der Film als Nahaufnahme und Langzeitbegleitung.

Die Berliner Filmemacher Daniel Hartung und Florian Frei widmen ihren achten Film für die renommierte ZDF-Sendereihe “37 Grad” dem Kiosk um die Ecke. Denn dieses Stück Nachbarschaft droht auszusterben. Dabei reicht seine Geschichte zurück bis ins antike Ägypten, die Bezeichnung stammt vom persischen Wort “kushk” für Pavillon. In Deutschland entstanden im 19. Jahrhundert die Vorläufer der heutigen Kioske als “Wasserhäuschen” zur Versorgung der Arbeiter mit Mineralwasser, später kam der Verkauf von Zeitungen und anderen Artikeln hinzu.

Längst aber sind Kioske – in Nordrhein-Westfalen “Trinkhallen” oder “Büdchen” genannt, in Berlin “Spätis”, und in Frankfurt am Main traditionell “Wasserhäuschen” – kein selbstverständlicher Teil des Stadtbildes mehr. Nach Recherchen von Hartung und Frei gab es vor zehn Jahren noch 44.000 von ihnen, heute schätzen Experten ihre Zahl auf 24.000. Konkurrenzdruck durch Discounter mit langen Öffnungszeiten, Personalmangel und Preissteigerungen werden im Film als Gründe benannt.

Viele Kioske werden von Menschen mit Migrationshintergrund geführt. Serdar und Naciye, die beiden Kioskbetreibenden im Film, haben türkische Wurzeln. Erst vor zwei Monaten hat Serdar in Berlin-Kreuzberg als Quereinsteiger mit 28 Jahren einen “Späti” übernommen. Seither steht der ehemalige Vertriebler fast jeden Tag hinterm Tresen und probiert ständig Neues aus: Wie kann er sein Angebot auf die Kundschaft im Szeneviertel abstimmen? Welche Attraktionen kann er bieten, um seinen Späti besonders zu machen? So soll sich bis spät in die Nacht überwiegend junge und feierfreudige Kundschaft bei ihm wohlfühlen. Unterstützt wird der junge Familienvater dabei nebenberuflich von seinem Bruder Emre (26).

Runde zehn Jahre ist es her, dass Naciye (46) erstmals hinterm Tresen der “Ballerbude” im nordrhein-westfälischen Oer-Erkenschwick stand. Seitdem hat sich viel getan: In dem Laden am nördlichen Rand des Ruhrgebietes hat sie ihren zweiten Ehemann Kamil kennengelernt und ihre Söhne Selcuk und Orcun großgezogen, die sich nun wöchentlich um den Einkauf von Getränken kümmern.

An sechs Tagen in der Woche hat sich Naciye mit ihrer offenen und warmherzigen Art eine treue Kundschaft aufgebaut. Doch Inflation und Preissteigerungen machen nicht nur ihrer Stammkundschaft zu schaffen. Mit der Unterstützung ihrer Familie möchte Naciye ihren Nachbarschaftstreff unbedingt in die Zukunft führen. Naciye und Serdar vereint, dass sie ihre Stammkunden binden und neue dazu gewinnen wollen. Hartung und Frei haben diesen Prozess mit einem Kamerateam begleitet.

Am Beispiel von Menschen in der Hauptstadt und im Ruhrpott gewährt die Reportage einen interessanten Einblick in deutsche Kiosk-Kultur zwischen Trend und Tradition. Mit viel Fingerspitzengefühl fängt der Film die Gefühlslage derer ein, für die der Kiosk mehr bedeutet als die Gelegenheit für einen schnellen Einkauf.

Als “extrem arbeitsintensiv” bezeichnen Daniel Hartung und Florian Frei die Produktion an zwei Standorten. “Wir hatten lange Drehschichten, um die Atmosphäre authentisch einzufangen. Bei Kiosken weiß man nie, wer kommt und was passiert – deshalb ließen sich die Drehtage kaum planen”, sagen beide gegenüber der Katholischen-Nachrichten-Agentur (KNA). Die beiden Filmemacher hätten in beiden Geschäften “unzählige Stunden” verbracht – “aber es hat sich gelohnt”.