Artikel teilen:

Wie die Jugend dem Buchhandel Hoffnung macht

Der Buchmarkt ist in der Krise, die Zahl der Lesemuffel steigt. Doch ausgerechnet eine verloren geglaubte Gruppe macht Hoffnung: junge Erwachsene.

Junge Leute entdecken das Buch für sich neu
Junge Leute entdecken das Buch für sich neuImago / Westend 61

Ausgerechnet die Jugend: Während die Zahl der Lesemuffel in Deutschland weiter steigt, sorgen junge Leute derzeit dafür, dass der Buchmarkt aufgemischt wird. “Young Adult ist das Wachstumssegment schlechthin”, sagt Karin Schmidt-Friderichs, bis vor wenigen Tagen Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Über 25 Millionen mit dem Hashtag #Booktok empfohlene Bücher seien 2024 in Deutschland verkauft worden, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.

Emotionen, Tränen, Romance: Die Buchbesprechungen von Tiktok beflügeln die Verkaufszahlen. Was lange als leichte Lektüre belächelt wurde, hat mittlerweile auf der Frankfurter Buchmesse eine eigene Halle. Buchhandlungen sind kein No-Go mehr für die Altersgruppe der 13- bis 29-Jährigen. Bei den 13- bis 15-Jährigen sind die Ausgaben für Bücher in den vergangenen fünf Jahren um 32 Prozent gestiegen, bei den 16- bis 19-Jährigen gar um 77 Prozent.

Vor Frankfurter Buchmesse: Lage ist angespannt

In der Buchbranche ist die Freude kurz vor der weltweit größten Buchmesse in Frankfurt dennoch gedämpft. Denn 2024 haben nur noch 24,5 Millionen Menschen in Deutschland mindestens ein Buch gekauft, das sind rund 500.000 weniger als im Jahr zuvor. Immerhin aber sind die Umsätze trotz des Käuferschwunds leicht gestiegen – auf knapp 9,9 Milliarden Euro. Gründe dafür sind Preissteigerungen und mehr Buchverkäufe pro Person.

@nathalie_reads Und was ist euer Lieblingsbuch? 💙 #BookTok #booktokdeutschland #lesen #bücher #romance #fantasy #challange #booktokgermany #booktokbooks #trend #trending #buchempfehlung ♬ Originalton – Nathalie 🦋

Die Lage auf dem Buchmarkt sei angespannt, analysiert Schmidt-Friderichs. Zwar könne die Branche ihre Umsätze halten, doch auch sie habe gegen die allgemeine Kaufzurückhaltung und Verunsicherung anzukämpfen. “Die Zeit zum Lesen scheint zwischen Netflix, Instagram und Youtube knapp zu werden”, fügte die frühere Börsenvereins-Chefin kürzlich in einem Beitrag für das Magazin “Politik & Kultur” hinzu.

Der stationäre Buchhandel bleibt mit einem Umsatz von etwas über vier Milliarden Euro der Hauptvertriebsweg für Bücher – also die Läden und Buchhandlungen in den Innenstädten. Das stärkste Umsatzwachstum erzielte allerdings der Internet-Buchhandel mit plus 4,4 Prozent. Er ist mit einem Umsatzanteil von 25 Prozent der zweitstärkste Vertriebsweg.

Weniger Buchhandlungen in Deutschland

Allerdings: Die Zahl der Buchhandlungen in Deutschland nimmt weiter ab. In den vergangenen 15 Jahren ist sie von 5.300 auf zuletzt rund 4.500 gefallen. Und auch die Kundenfrequenz ist rückläufig. “Das ist ein riesiges Problem, dass die Menschen nicht mehr in die Innenstädte kommen, die haben das in der Pandemie verlernt”, vermutet Schmidt-Friderichs. Dazu komme, dass die Innenstädte in den vergangenen Jahren unattraktiver geworden seien.

Umsatztreiber im vergangenen Jahr war laut Börsenverein die Belletristik mit einem Plus von 4,3 Prozent. Die Sparte, die Romane und Erzählungen umfasst, ist mit einem Anteil von knapp 37 Prozent am Buchmarkt die führende Warengruppe. Deutliche Zuwächse erzielten auch die Sachbücher (plus 8,1 Prozent) und Schulbücher (plus 3,8 Prozent). Hingegen wurden weniger Ratgeber (minus 4,5 Prozent) und Reisebücher (minus 8,6 Prozent) gekauft.

Hörbücher und E-Books auf Vormarsch

Die Hörbücher boomten weiter. Der Umsatz habe im vergangenen Jahr um 7,3 Prozent zugenommen, insbesondere durch Downloads und Streaming, so der Börsenverein im Juli bei der Wirtschaftspressekonferenz. Die E-Book-Verkäufe nahmen leicht um 2,2 Prozent zu. Der Anteil der E-Books am Buchmarkt verharrt allerdings bei 6,1 Prozent.

Ein zentrales Thema der Buchbranche sind die Urheberrechtsverletzungen großer Internetkonzerne beim Training von KI-Modellen. Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Peter Kraus vom Cleff, fordert von der Politik, klare Regeln zu schaffen und “die Macht digitaler Oligopole einzudämmen, die nicht nur in riesigem Ausmaß Inhalte stehlen, sondern auch zunehmend Einfluss auf die Meinungsbildung und Politik nehmen”. Die EU und die Bundesregierung dürften sich nicht von den USA erpressen lassen und ihre Regulierung aufweichen.

Auch Jo Lendle, Verleger des Hanser-Verlages und Vorsitzender des Verlegerausschusses im Börsenverein, schrieb kürzlich im Magazin “Politik & Kultur” von “einem der frechsten Raubzüge der Menschheitsgeschichte. Die KI klaut mit einer Schamlosigkeit, die einem die Schamesröte ins Gesicht treibt”. Das gelte für ChatGPT wie für DeepSeek, für Apples AI ebenso wie für Googles Gemini. Auch er forderte eine klare Kante gegen die Internetkonzerne.