Eine blaue Wolke erobert mein Trinkglas. Faszinierend, ein Naturschauspiel. Ich habe einen Füllfederhalter auseinandergeschraubt; die Spitze muss zum Einweichen und Säubern unter Wasser. Jetzt sitze ich hier, halte das Glas unter den Wasserhahn; schwinge und schwenke die Füllerspitze, puste sie durch. Wechsle das Wasser. Schaue der nächsten Tintenwolke zu, wie sie schwer und unaufhaltsam das Wasserglas erobert. Wieder und wieder. Seit mehr als einer Stunde.
Das kam so:
Ich kann – einfach – nicht – schreiben. Nicht mit Stift oder Füller. Da, wo andere Menschen Buchstaben zu Papier bringen, hinterlässt meine Hand seit jeher nur eines: Gekrakel. Wenn Sie sich die Unterschrift Ihres Arztes vorstellen und damit ein Blatt füllen – dann haben Sie eine Ahnung davon. Schreibmaschine oder PC – anders hat‘s keinen Sinn.
Es blieb dieser Rest von Wehmut: Mit der Hand schreiben – das wär schon toll. Ob ich es nicht vielleicht doch noch lernen könnte? Nach all den Jahren Krikeln und Krakeln? Jetzt sitze ich hier, habe den alten Füller hervorgekramt; versuche, ihn zu reaktivieren. Und schaue zu, wie er blaue Wolken ins Wasserglas stößt. Wie kann ein derart kleines Bauteil solche Mengen an Tinte absondern?
Das könnte zu meinem Wahlspruch werden: In dir steckt so viel; viel mehr, als du ahnst. Trau dir doch mal etwas zu! Probier‘s aus! Wag es! Geh auf deinen Mitmenschen zu, sprich ihn an; auch wenn‘s dir graut. Oder: Versuch, den Advent besinnlich zu erleben; auch wenn es tausendmal nicht geklappt hat.
In meinem Fall: Du schaffst es! Du kannst alle deine Grußkarten zu Advent und Weihnacht mit der Hand schreiben.