Am Montag beschäftigt sich eine Fachkonferenz in Schwerin mit Perspektiven der Antidiskriminierungsarbeit in Mecklenburg-Vorpommern. Die Leiterin der „Mobilen Antidiskriminierungsberatung Vorpommern-Greifswald“, Delphine Wollenberg, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorab auch, wie diese Beratung im Nordosten gelingen kann.
epd: Welche Aufgaben hat die Antidiskriminierungsarbeit in MV?
Delphine Wollenberg: Sie setzt sich dafür ein, dass Diskriminierung in der Gesellschaft keinen Platz hat. Dazu gehört, ein Bewusstsein für bestehende Benachteiligungen und Herabwürdigungen zu schaffen. Denn alle Menschen sollten anerkannt und wertgeschätzt werden, unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft, geschlechtlicher Identität, Glaube, sexueller Orientierung, Behinderung, Körpergewicht und sozialem Status.
epd: Welche Strukturen gibt es dafür schon?
Wollenberg: Seit eineinhalb Jahren gibt es drei vertrauliche, parteiliche und kostenlose Beratungsstellen für Menschen, die Diskriminierung erleben. Der Verein „Jugend kann bewegen“ bietet das für die Region Greifswald und Vorpommern-Rügen, der Flüchtlingsrat MV für die Region Schwerin und Ludwigslust-Parchim und der Verein „RAA – Demokratie und Bildung M-V“ für die Region Vorpommern-Greifswald an. Bislang nahmen 200 Menschen diese Hilfe an. Und: Die drei Beratungsstellen führten schon mehr als 60 Sensibilisierungsmaßnahmen durch. Der Bedarf ist aber viel höher.
Zudem wurde der Antidiskriminierungsverband MV gegründet, der jetzt 15 Vereine verbindet. Im Herbst 2024 trat MV einer bundesweiten Koalition gegen Diskriminierung bei.
Trotzdem ist leider absehbar, dass die drei mühevoll aufgebauten Beratungsstellen in akute Gefahr geraten. Denn ihre bisherige Finanzierung durch den Bund läuft Ende 2026 aus.
Auch für andere Hilfen ist die Finanzierung das Problem. Deshalb musste ein Modellprojekt für queere Bildungs-, Antidiskriminierungs- und Empowermentarbeit in MV 2024 eingestellt werden. Ab Herbst 2025 wird die Fachstelle Mehrsprachigkeit (RAA MV) ihre Arbeit voraussichtlich einstellen müssen. Sie unterstützt Kindertageseinrichtungen, eine diversitätsbewusste und mehrsprachigkeitsoffene Praxis umzusetzen.
epd: Wie kann Antidiskriminierungsarbeit in MV gelingen?
Wollenberg: Sie muss als fester Bestandteil von Demokratiearbeit verstanden und fortgeführt werden. Denn wo Menschen ungerechtfertigte Ungleichbehandlung erleben, sinkt das Vertrauen in Rechtsstaat und Gesellschaft. Etwa, wenn ein Kind wegen seiner chronischen Erkrankung nicht am Schulausflug teilnehmen darf. Oder wenn ein Mitarbeiter kündigen muss, weil er das feindliche Umfeld bei der Arbeit nicht mehr ertragen kann. Oder wenn die Polizei einer älteren Dame, die Anzeige erstatten möchte, wegen ihres hohen Alters nicht glaubt.
Und: Es müssen weitere rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehören die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der Beschluss eines Landesantidiskriminierungsgesetzes.