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Wirtschaftsethiker: Polarisierung gefährdet den Wohlstand

Gesellschaftlicher Zusammenhalt und wirtschaftliche Performance gehen Hand in Hand. Deswegen droht mit wachsender Polarisierung wie in der Europawahl neuer Zündstoff, warnt der Wissenschaftler Nils Goldschmidt.

Angesichts des Ausgangs der Europawahl hat der Wirtschaftswissenschaftler Nils Goldschmidt vor den wirtschaftlichen Folgen einer zunehmenden Polarisierung gewarnt. Sozialer Friede sei die Voraussetzung dafür, dass soziale Marktwirtschaft funktionieren könne, sagte Goldschmidt, Professor für Kontextuale Ökonomik in Siegen und designiertes Mitglied des Deutschen Ethikrats, am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Wenn das Gefühl für eine bürgerliche Mitte verloren gehe, “dann kriegen wir gesellschaftliche, aber auch massive wirtschaftliche Probleme”.

Daten belegten, dass sozialer Zusammenhalt und wirtschaftliche Performance eng miteinander korreliert seien, sagte Goldschmidt. Wenn Menschen das Gefühl hätten, in einer polarisierten Gesellschaft zu leben, verschlechtere sich die Wirtschaftsleistung. Vor allem seitens der etablierten Parteien brauche es deshalb “einen – fußballerisch gesprochen – ‘Umschaltmoment’ im Kopf” und das Signal, in wesentlichen Politikbereichen zusammenarbeiten zu wollen.

Noch immer gebe es eine bürgerliche Mitte, aber die schrumpfe, sagte Goldschmidt. Anders als in den 80er- oder 90er-Jahren gehe es für gemäßigte Parteien jetzt “nicht um einen Kampf in der Mitte, sondern um einen Kampf um die Mitte”. Auch die CDU als Wahlgewinnerin in Deutschland stehe vor dem Appell, mit den Ampel-Parteien zusammenzuarbeiten und Kompromisse zu schließen. Häme sei fehl am Platz.

Goldschmidt äußerte Sorge angesichts der Wählertrends hin zu politischen Gruppierungen am Rand. Viele dächten, in dramatischen Herausforderungen brauche es radikale Lösungen. Das sei falsch. “Jede radikale Lösung bedeutet, dass wir ganz viele außen vor lassen”, sagte der Wirtschaftsethiker. Dies lasse die Gesellschaft noch weiter auseinanderdriften.

“Es gibt den Spruch: ‘In Gefahr und in der Not ist der Mittelweg der Tod’. Ich glaube, das stimmt gerade nicht”, sagte Goldschmidt. “Wir müssen dafür werben, Lösungen zu finden, die alle mitnehmen, auch wenn es nicht einfach ist.”