Von Veit Hoffmann
In diesen Tagen, Wochen und Monaten scheint es , als besäßen wir unfreiwillig eine Jahreskarte für das „Festival“ des Irrsinns. Der Orient droht in den Abgrund zu stürzen. Die IS-Terroristen lassen mich an Koschtschei denken. Das ist eine alte russische Märchenfigur. Koschtschei ist ein böser Zauberer und dazu noch unsterblich, weil er seine Seele außerhalb seines Körpers verbirgt. Sie steckt in einer Nadel, die wiederum in einem Ei steckt, das in einer Ente steckt. Die Ente befindet sich in einem Hasen, der liegt in einer Kiste, die unter einem Baum vergraben liegt. Der Baum steht auf einer Insel im weiten Meer … Kurz: Die Hoffnung auf ein gutes Ende ist weit. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Nur wer die Nadel findet und sie knickt hat das Böse besiegt.
Die Koschtscheis dieser Welt müssen gefunden werden. Ihre Seele, ihr Herz muss getroffen werden. Ihr böser Zauber muss ein Ende finden! Das Gebot: Du sollst nicht töten! beinhaltet für mich auch das Gebot: Du sollst nicht zusehen, wie getötet wird! Ethisch habe ich da keinen Konflikt. Auch kein Mitleid. Menschlich handeln kann man nur an Menschen, nicht aber an Zombies. Die Koschtscheis von heute sind Zombies. Dazu zähle ich auch jene, die sich vom Fanatismus anstecken lassen. Sie raffen Menschen dahin. Heute wurde ein Franzose in Algerien vor laufender Kamera enthauptet. Hervé Gourdel, ein Bergführer aus Nizza. Seine Henker nennen sich „Soldaten des Kalifats“.
Und vom Erlöser kein Laut, kein Auftritt, vollkommene Stille. Und die Gottesdienst-gemeinde will Hoffnung hören. Sie fragt, wie man heute noch an das Gute glauben kann.
Bei der Suche nach einer Antwort fühle ich mich zuweilen wie ein untrainierter Jakobspilger der sich nach Compostela schleppt. Doch ich habe beschlossen nicht nach einer philosophischen Antwort zu suchen. Es raubt zu viel Kraft und Energie und schwächt. In meinen Predigten werde ich auch nicht das Böse ins Zentrum stellen. Ein Gottesdienst hat die Aufgabe die Menschen zu stärken, nicht aber zu schwächen und zu frustrieren.
Auf unserem Gemeindegebiet werden ab heute nach und nach 250 Flüchtlinge untergebracht. Gemeinsam mit der katholischen und der freikirchlichen Gemeinde werden wir in der Flüchtlingsunterkunft aktiv. Menschlich! Wir werden uns nächste Woche mit dem Betreiber und den Bewohnern zusammensetzen und beratschlagen, was wir gemeinsam tun können. Die Welle der Hilfsbereitschaft in unseren Gemeinden dafür ist groß. Auf die Frage, wie man heute noch an das Gute glauben kann, kann die Antwort nur heißen: Indem man das Gute lebt!
„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“. (Matthäus 25. 40)