Der Drang, dem Glauben Ausdruck zu geben, hat kulturelle Höchstleistungen hervorgebracht: In den Klöstern wurden Bibeln in jahrzehntelanger Arbeit von Hand geschrieben, mit feinsten Miniaturen versehen und mit Gold und Edelsteinstaub verziert. Baumeister strebten mit den Pfeilern und Gewölben der gotischen Kathedralen dem Himmel entgegen, während die Komponisten der Renaissance und des Barock Musik schrieben, die diese Räume erfüllen sollten. Zeit und Geld spielten keine Rolle. Es ging um das Lob Gottes, des Schöpfers der Welt.
Die Zeiten dieser gewaltigen Anstrengungen sind vorbei. In unserer Welt steht nicht mehr die Verehrung Gottes im Zentrum des allgemeinen Strebens; folglich werden Geld und Kraft für andere Dinge eingesetzt.
Und dennoch: „Wir können es ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben“ – so, wie sich der Apostel Petrus nach dem Bericht der Apostelgeschichte für den Glauben begeistert, können auch wir es nicht lassen, davon zu singen und zu dichten, zu malen und zu tanzen.
Immer wieder neu machen Menschen sich daran, eine Gestalt zu finden für das, was sie glauben. Zunächst sind es oft Worte, die – tastend, stolpernd, unsicher – versuchen zu beschreiben, was das heißt: sich von Gott geliebt zu wissen; Vergebung zu erfahren; eine Hoffnung über den Tod hinaus zu haben. Worte sind gut. Sie sind alltagstauglich, jederzeit zur Hand, für jeden nutzbar. Aber sie stoßen auch an Grenzen, wenn man das Ewige erfassen will.
Darum greifen Christen zu anderen Mitteln: Sie singen vom Glauben oder blasen Posaunen (Seite 11). Sie erfinden neue Formen für die Bibel (Seite 2) und richten Kirchräume so ein, dass Menschen unserer Zeit darin eine Ahnung von Gott bekommen können (Seite 10). Nicht immer geht es dabei um kulturelle Höchstleistungen. Jede und jeder redet und musiziert, schmückt und gestaltet den Glauben, wie sie oder er kann. Auch ein mehr oder weniger mühsam formuliertes Gebet oder ein unvollständiger Satz in einem Gespräch gehören dazu.
Und weil der Glaube in jeder Zeit neu Gestalt finden muss, ist er eine unerschöpfliche Quelle an Kreativität. Jede Generation bringt ihre Lieder und Glaubenstexte, ihre Kunst, ihre Kirchen hervor. Manches davon hat Bestand und wird auch nach Jahrhunderten noch bewundert und mit Leben gefüllt, anderes verschwindet mit der Zeit. Auch der Ausdruck des Glaubens ist Moden unterworfen.
Ohnehin bleiben alle Gestaltungsversuche unvollkommen. Denn so perfekt die Sätze auch formuliert sein mögen, so formvollendet Musik oder Architektur auch durchkomponiert sein mögen – sie erfassen nie die ganze Fülle Gottes. Mehr als Annäherungen an seine Ewigkeit sind dem Menschen nicht möglich.
Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – werden die Versuche nie ein Ende nehmen. Zum Lob Gottes, des Schöpfers der Welt.
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Wir können es nicht lassen
Wer glaubt, möchte Gestalt finden für das, was ihn bewegt. Das regt Menschen dazu an, kreativ zu werden – von ganz schlicht bis hin zu künstlerischen Hochleistungen