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“Wir brauchen jetzt einen, der ermutigen kann”

Eberhardt Renz wurde 1994 Nachfolger von Theo Sorg als Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Da hatte der Enkel eines Indienmissionars schon auf drei Kontinenten gelebt. Bis zum Ruhestand 2001 war er Landesbischof und darüber hinaus von 1998 bis 2006 einer der acht Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Am Donnerstag (1. Mai) wird Renz 90 Jahre alt. Die Themen Mission und Ökumene haben ihn bis heute nicht losgelassen.

Die Biografie seines Großvaters habe in ihm „früh den Wunsch geweckt, mehr von der Welt zu sehen“, sagte Renz einst in einem Interview der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Trotzdem sei er kein Weltbürger geworden, sondern Urschwabe geblieben. Noch immer sei für ihn die Schwäbische Alb, wo er in Neenstetten bei Ulm aufwuchs, „das schönste Gebirge der Welt“.

Der Jubilar lebt bei ordentlicher Gesundheit in Tübingen und ist am Leben von Kirche und Theologie interessiert wie eh und je. Im vergangenen Jahr hat er ein autobiografisches Buch herausgebracht, in dem er über seine zwei Studienjahre im indischen Madras, seinen Einsatz in Kamerun und die Erfahrungen im weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen reflektiert. Titel: „Das Ganze der Welt im Auge behalten“.

Derzeit behält Renz vor allem seine Frau Annemei im Auge, die pflegebedürftig ist. Jeden Tag steigt der Vater von zwei Söhnen und Großvater von fünf Enkeln aufs Rad, um in Tübingen Besorgungen zu machen. „Mein Hausarzt und mein Physiotherapeut sind ganz zufrieden mit mir“, sagte er kurz vor seinem Geburtstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Predigtdienste übernehme er aber inzwischen keine mehr.

Zu seinen letzten verbliebenen Ämtern gehören die Schirmherrschaft der Organisation „refugio“, die sich um traumatisierte Flüchtlinge kümmert, und die Mitgliedschaft im Deutschen Institut für Ärztliche Mission (Tübingen). „Ich bin im Ruhestand nicht in ein Schwarzes Loch gefallen“, resümiert der Theologe mit einem Schmunzeln. Bis 2021 traf er sich jährlich mit einer Gruppe europäischer Bischöfe, um die Ökumene auf dem Kontinent voranzutreiben.

Die erforderlichen Sparbeschlüsse in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg sieht Renz mit Sorge. Erste Einschnitte habe es schon in seiner Bischofszeit gegeben, aber lange nicht in dem derzeitigen Ausmaß. Dem aktuellen Amtsinhaber Ernst-Wilhelm Gohl bescheinigt Renz, einen guten Weg zu gehen: „Er ist einer, der ermutigen kann – und das braucht es jetzt.“

Christinnen und Christen sollten sich von den derzeitigen Herausforderungen aber nicht herunterziehen lassen, betont der Altbischof, der weiterhin am Gemeindeleben in Tübingen teilnimmt. Dass Jesus Christus in die Welt gekommen sei, sei ein „Grund zu feiern jeden Tag“, betont der evangelische Theologe. (0954/25.04.2025)