Wie fühlte sich Kleopatra? Was dachte Cäsar? Lehrer Frank Schwieger schreibt Geschichte aus Ich-Perspektive und im lockeren Tonfall – und ist damit ziemlich erfolgreich. Was ist das Geheimnis?
Frank Schwieger (57), norddeutscher Latein- und Geschichtslehrer, hat zahlreiche Jugendbücher geschrieben, in denen er römische und ägyptische Geschichte oder griechische und germanische Sagen aus der Perspektive der Figuren erzählt. Sie verkaufen sich “wie geschnitten Brot”, werden immer wieder neu aufgelegt und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, darunter ins Chinesische, Türkische, Spanische und Russische. Im November erscheint sein neues Buch “Trümmerkinder”, das die Nachkriegszeit aus der Perspektive verschiedener Kinder thematisiert.
Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit dem Lehrer am Dienstag im norddeutschen Borgstedt über seine kindliche Comicliebe, wie man bei Kindern Interesse für Geschichte weckt – und warum er so gerne in der Bahn schreibt.
Frage: Herr Schwieger, wie schaffen Sie das: Viele Kinder und Jugendliche lieben Ihre Bücher, dabei geht es da oft um Dinge, die längst Vergangenheit sind. Wie vermittelt man Geschichte?
Antwort: Das Geheimnis ist, dass man lebendig erzählt und die Dinge greifbar macht. Das geht sehr gut über Einzelschicksale, typisches Beispiel ist “Das Tagebuch der Anne Frank”, das auch oft im Unterricht gelesen wird.
So mache ich das auch in meinen Büchern: Ich schreibe aus der Perspektive von Kleopatra, Cäsar oder, wenn es um mythische Inhalte geht, aus der Sicht von Zeus, Aphrodite oder Odin, je nachdem ob es sich um römische, griechische oder germanische Sagen handelt. Der Kern meiner Geschichten ist also immer schon vorhanden. Schwierig wird’s natürlich bei so einem Thema wie der Außenpolitik der Weimarer Republik. Da ist über Einzelschicksale wenig zu machen.
Frage: Was hat Sie auf die Idee gebracht, solche Bücher zu schreiben?
Antwort: Ich habe vor zehn Jahren für einen Schulbuchverlag ein Begleitheftchen zu einem Lateinbuch geschrieben, das waren Sagen aus der Mythologie. Die habe ich aus der Ich-Perspektive von Apollo und ein paar anderen Göttern geschrieben. Das kam ganz gut an. So ist die Idee entstanden.
Frage: Was ist Ihre Motivation beim Schreiben?
Antwort: Ich will unterhaltend schreiben, aber die Leser sollen auch etwas mitnehmen. Meine Bücher sollen nützlich sein, aber eben nicht langweilig.
Frage: In ihrem neuen Buch “Trümmerkinder”, das Mitte November erscheint, geht es um Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg, um das Leben in Täter- und Opferfamilien. Solche ernsten Themen sind bei der allgemeinen Faszination von Jugendlichen für Fantasybücher ungewöhnlich.
Antwort: Vielleicht fülle ich mit meinen Büchern eine Lücke. Es handelt sich immer um kürzere, in sich abgeschlossene Geschichten, es sind keine langen Romane. Für so dicke Schinken über Geschichte muss man vielleicht ein bisschen nerdig sein.
Frage: Beim Lesen bevorzugt die Mehrheit der Deutschen nach neuer Umfrage immer noch das gedruckte Buch vor dem digitalen Lesen. Wie ist das bei Ihnen?
Antwort: Das ist bei mir genauso. Ein tieferes Verständnis für Zusammenhänge habe ich nur mit dem gedruckten Buch. Da kann ich viel tiefer eintauchen, als wenn ich die ganze Zeit blinkende Nachrichten sehe. Digitales Lesen ist für die Konzentration nicht gut. Ich merke das auch bei meinen Schülern: Die Kinder haben im Unterricht tatsächlich immer größere Probleme, Lehrbuchtexte zu verstehen. Da hat sich etwas zum Schlechten gewandelt.
Frage: Wissen Kinder immer weniger über Geschichte?
Antwort: Nein, das kann ich so nicht sagen. Das Geschichtswissen war immer dünn. Aber das Interesse an Geschichte ist bei Kindern grundsätzlich da.
Frage: “Ich, Cäsar oder die Bande vom Kapitol” heißt eines Ihrer ersten Bücher. Gerade römische Geschichte fasziniert viele Menschen. Woran liegt das?
Antwort: Es gibt so einen wunderbaren Ausdruck: “Antike ist für uns das nächste Fremde”. Soll heißen: Sie hat das Fremde, ist uns aber gefühlt näher als das Mittelalter oder als die Azteken. Es ist eben eine Hochkultur gewesen, unserer nicht unähnlich: Es gab schon Mietwohnungen, eine Kanalisation, Theater und Sportveranstaltungen. Gleichzeitig hat sie aber auch etwas Fremdes – andere Kleidung etwa oder Gladiatorenkämpfe. Die Antike ist uns also nicht völlig fremd – wie etwa die Azteken – aber wir sind auch nicht so dicht dran, dass es langweilig wird.
Frage: Warum ist Geschichtswissen wichtig?
Antwort: Ich versuche, bei meinen Schülern das Interesse an der Vergangenheit zu wecken, indem ich ihnen sage, dass sie sich genau umschauen sollen: Wo kommen wir her? Warum sehen die Städte so aus, wie sie aussehen, warum gibt es einen Marktplatz, eine Kirche, ein Rathaus?
Mein Ansatz ist: Guckt Euch an, was früher passiert ist. Es ist hilfreich, wenn man weiß, wohin etwas führen kann, damit sich die schlechten und bösen Sachen nicht so schnell wiederholen. Ich will in einem kleinen Bereich aufklärerisch wirken.
Frage: Wie finden Ihre Schüler es, dass Sie Schriftsteller sind? Fragen sie nach Autogrammen?
Antwort: Ja, ab und zu kommt ein Kind vor oder nach dem Unterricht und will eine Unterschrift von mir in eines meiner Bücher haben. Und in Vertretungsstunden lese ich auch manchmal aus meinen Büchern vor.
Frage: Was haben Sie selbst als Kind gelesen?
Antwort: Ich habe als Kind nicht viel gelesen. Ich hatte so eine idyllische Bullerbü-Kindheit, bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und war einfach viel draußen. Wenn ich gelesen habe, dann habe ich meistens Comics gelesen, Mickey Mouse und Donald Duck. Asterix fand ich auch cool. Mittlerweile bin ich aber ein Vielleser, habe immer acht oder zehn Bücher auf meinem Nachttisch liegen.
Frage: Wann und wo schreiben Sie am liebsten? Sie sind ja auch noch Lehrer…
Antwort: In der Tat, das ist immer noch mein Hauptberuf. In der Woche habe ich deshalb auch keine Zeit zu schreiben. Ich schreibe am Wochenende oder in den Ferien. Und am allerliebsten im Zug, wenn ich zum Beispiel zu einer Lesung unterwegs bin. Da packe ich mir Ohropax in die Ohren und am besten noch Kopfhörer mit noise-cancelling drüber – und dann kann ich wunderbar abtauchen.