Die Wittenerin Sabine Hülser ist seit 30 Jahren Schafhirtin. Sie hat eine Herde von 300 Schafen, die sie bei Wind und Wetter mit ihren Hütehunden durchs Ruhrgebiet führt. Sie hat drei erwachsene Kinder und ist mit einem Schäfer verheiratet. Carsten Griese sprach mit ihr über ihre Arbeit und den Psalm 23.
Wie wird man Schafhirtin?
Eigentlich ist das ganz einfach. Wenn man Spaß an der Sache hat, dann muss man sich ein bisschen dahinterklemmen. Und ich habe das unsagbare Glück gehabt, einen Schäfer zu heiraten.
Wie haben Sie gemerkt, die Nähe zu Tieren ist richtig für mich?
Die war immer schon da. Meine Eltern haben immer gesagt, wenn die mal heiratet, dann nur einen Schäfer oder Bauern. Ging gar nicht anders. Ich habe mit Kühen und Pferden angefangen. Danach kamen erst die Schafe.
Welche Aufgaben hat man als Schafhirtin?
Ich denke mal, die gleichen Aufgaben wie so ein Pfarrer auch. Im Grunde genommen muss man auf seine Schäfchen achten und muss gucken, dass es der Herde gut geht. Jetzt im Sommer brauchen sie natürlich viel Schatten, viel Wasser und immer genug zu fressen. Ansonsten muss man die Gesundheit ein bisschen beachten und dann geht es denen immer gut. Und mir dann auch, ich kann nur schlafen, wenn es meinen Tieren auch gut geht.
Wo ist so eine Herde nachts?
Ich habe ja einen Elektrozaun, da kommen die nachts rein, dann kommt da Strom drauf und dann fahren wir nach Hause.
Was ist für eine Herde gefährlich? Wo muss man aufpassen?
Die Leute meinen ja immer, der Wolf ist gefährlich. Der Wolf ist im Moment noch nicht bis zu uns vorgedrungen. Die ganzen Hunde, die hier rumlaufen, sind viel gefährlicher. Wenn die Hunde hochtragende Tiere hetzen, dann kann es passieren, dass die dann tote Lämmer zur Welt bringen. Das ist nicht nur für das Schaf gefährlich, sondern auch für unser Portemonnaie.
Ist das dann für Sie eine Verdiensteinbuße?
Das bedeutet ein Jahr kein Verdienst an dem Schaf. Das Schaf ist da und wenn wir Glück haben, wird es nochmal tragend, aber dieses Jahr ist schon mal gegessen. Das Tier kostet das ganze Jahr Geld und bringt uns nichts ein.
Was hat man als Schafhirtin von einem Schaf?
Also wir haben ja die Mutterschafe, um Lämmer großzuziehen, die dann hinterher geschlachtet werden. Wir haben das Glück, dass die Schafe noch leben können wie sie in der Natur eigentlich leben würden, im Herdenverband und ganzjährig draußen. Das macht natürlich sehr viel Arbeit, denn im Winter muss man dann auch gucken, dass die Tiere Windschutz haben und genug Futter. Die Schafe müssen immer gut und speckefett aussehen.
Wo bleibt so eine Herde im Winter? Ist die dann auch draußen?
Auf jeden Fall. Schafe haben einen guten Schutz gegen Kälte. Ein Reh und ein Fuchs, die brauchen auch keinen Stall, die sehen auch zu, dass sie draußen klarkommen. Und ich sag mal, wenn ein Schaf draußen nicht leben kann, was für ein Nutztier ist das dann?
Die Menschen hatten zu biblischen Zeiten Schafe als Nutztiere. Der Psalm 23 macht das beispielsweise deutlich. „Der Herr ist mein Hirte“. Wo haben Sie diesen Psalm kennengelernt?
Das ist mein Taufspruch, den kenn ich also schon länger. Im Grunde genommen brauchen wir alle irgendwo einen Hirten. Ich glaub, ganz ohne geht es nicht.
Was bedeutet Ihnen dieser Taufspruch: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“?
Ich denk mal, irgendwie hat man immer jemanden, der auf einen aufpasst. Wenn es nicht Vater oder Mutter sind, dann sind es vielleicht der Ehemann oder die eigenen Kinder. Und wenn die es nicht tun, dann muss man einfach den Glauben haben, dass das jemand tut, den man nicht so vor Augen hat.
Wo findet man „grüne Auen“ im Ruhrgebiet?
Meine Schafe laufen den ganzen Sommer in Bochum rum und irgendwie finden die immer was Grünes.
Wie kriegt man eine Schafherde von A nach B?
Also so dumm, wie die aussehen, sind sie leider nicht. Die haben einen hohen Intelligenzgrad. In dem Moment, wo ich sie locke, wissen die Schafe ganz genau, es gibt was Neues und dann kommen die schon hinterher. Die Schafe werden mir folgen, denn genau da wo ich hingehe, gibt es was Frisches zu fressen.
Wo werden die Hütehunde ausgebildet?
Ausbilden tun wir die Hunde selber. Ihre Fähigkeiten unterscheiden sich natürlich auch von Hund zu Hund. Es ist nicht jeder Hund gleichwertig. Aber wir bemühen uns, dass jeder einen gewissen Grad erreicht und er uns dann die Hilfe ist, die wir brauchen. Die Hunde sind ja im Grunde genommen der unsichtbare Zaun für die Schafe. Wenn kein Elektrozaun um die Herde ist, dann muss der Hund dafür sorgen, dass die Herde die Straße nicht überquert, nicht das Kornfeld vom Nachbar abweidet oder die Vorgärten stürmt.
Kriegen Sie es mit, wenn ein Schaf verloren geht?
Kommt drauf an, wie das Schaf verloren geht. Wenn es jetzt irgendwo steht und hat ein Lämmchen gekriegt und ich ziehe weiter, dann bleibt das Schaf einfach stehen. Das ist mir auch schon passiert. Das Schaf ist einfach im Schatten stehen geblieben. Dann sind da nette Leute gekommen und haben es mir wiedergebracht. Also da hätte der Hund auch nicht viel ausrichten können. Das Schaf hätte sich dann dagegen gewehrt.
Kennen Sie die biblische Geschichte vom verlorenen Schaf?
Ja natürlich, wenn uns ein Schaf verloren geht, dann ist das ja traurig. Also wir hoffen dann, wenn es nicht geklaut worden ist, dass es wiederauftaucht. Also die Herde muss schon komplett sein, sonst sind wir auch nicht glücklich.
Haben Sie schon einmal erlebt, dass ein Schaf plötzlich weg war?
Ja, uns haben sie auch schon beklaut, nicht nur Sachen, sondern sogar Vierbeiner. Das ist nicht immer so, dass das alles grün und nett ist hier in unserer Gegend.
Was lieben Sie an Ihrer Aufgabe?
Alles, das fängt mit dem Wetter an und hört mit dem Draußensein auf. Ich mag die Hunde, die Schafe. Ich liebe alles an meinem Beruf.
