Der Fristablauf naht: Bis Ende Juni muss die Mindestlohnkommission entscheiden, wo die Lohnuntergrenze in den Jahren 2026 und 2027 liegen soll. Für Freitag wird deren Empfehlung erwartet. Die Kommission soll unabhängig agieren – gleichwohl läuft die politische Debatte bereits auf Hochtouren. Ein Überblick:
Wie setzt sich die Mindestlohnkommission zusammen?
In dem Gremium sitzen drei Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitgeberseite und ebenso viele der Arbeitnehmerseite. Hinzu kommt der oder die Vorsitzende. Für die Besetzung dieses Postens schlagen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gemeinsam jemanden vor. Außerdem gehören der Kommission zwei Personen aus der Wissenschaft an, die aber nur beratend tätig und nicht stimmberechtigt sind. Die Kommission wird jeweils für fünf Jahre berufen. Sie legt in der Regel alle zwei Jahre einen Bericht vor und fällt einen Beschluss zur Anpassung des Mindestlohns. Verbindlich wird der Beschluss durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung.
Wie berechnet die Kommission die Höhe des Mindestlohns?
Laut Mindestlohngesetz nimmt die Kommission eine „Gesamtabwägung“ vor. Die Lohnuntergrenze soll demnach „zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ beitragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen ermöglichen und zugleich Beschäftigung nicht gefährden. Als Orientierung dient laut Gesetz die Entwicklung der Tariflöhne.
Die Debatten zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite dürften hitzig ausfallen, wie Interviewäußerungen von zwei Kommissionsmitgliedern im Mai zeigten: Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, bezeichnete 15 Euro pro Stunde als „Lohnpopulismus“. Die Zahl entbehre „jeglicher rationalen Grundlage“. Dagegen sagte Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), er gehe davon aus, dass die Kommission einen Mindestlohn von „ungefähr 15 Euro“ beschließen könne.
Was steht im Koalitionsvertrag?
Laut dem Vertragstext soll sich die Mindestlohnkommission „sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten“ orientieren. Der Bruttomedianlohn wird im Mindestlohngesetz bisher nicht erwähnt, wohl aber in der EU-Mindestlohnrichtlinie und auch in der Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission. Median bedeutet, dass genau die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr verdient und die andere Hälfte weniger.
Im Koalitionsvertrag folgt dann noch der Satz: „Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“ Führende Stimmen aus der SPD pochen auf diese Zahl und wollen sie per Gesetzesänderung festlegen, falls der Kommissionsbeschluss deutlich darunter bleibt. Die Union will davon nichts wissen. Für zusätzliche Diskussionen sorgt diese Woche ein Vorstoß des Bauernverbands, Saisonkräften in der Landwirtschaft weniger als Mindestlohn zu zahlen. Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) findet das überlegenswert, das SPD-geführte Arbeitsministerium hält die Idee für rechtswidrig.
Wäre eine politische Festlegung des Mindestlohns ein Novum?
Nein. Bei der Einführung des Mindestlohns zum Jahresbeginn 2015 wurde er gesetzlich auf 8,50 Euro festgesetzt. Danach war die Kommission am Zug – mit einer Ausnahme: Zum 1. Oktober 2022 stieg der Mindestlohn dank einer Gesetzesänderung deutlich auf zwölf Euro. Das ging auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung zurück. Seit Beginn des laufenden Jahres liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12,82 Euro pro Stunde