Man denkt an einen alten Freund – und in genau diesem Moment ruft derjenige nach langer Zeit an: Solche “Alltagssynchronizitäten” sind aus Sicht des Analytikers Bernd Leibig “gar nicht so selten”. Es lohne sich, in diesen Momenten näher hinzusehen, sagte er im Interview der Zeitschrift “Psychologie Heute” (Februar-Ausgabe). Dies gelte insbesondere für Themen, “die wir bei uns selbst vernachlässigt haben”. Bei dem unwahrscheinlichen Moment des Anrufs könne man sich etwa fragen: “Habe ich die Beziehung vernachlässigt? Möchte und sollte ich sie wieder aktivieren?”
Eine Synchronizität wecke ein Gefühl von Staunen, fügte Leibig hinzu – und damit berühre sie Menschen “auf einer tiefen emotionalen Ebene”. Der Zusammenhang zwischen den eigenen Gedanken und dem Anruf des Freundes sei rational nicht erklärbar, könne aber mehr als ein Zufall sein, wenn Menschen beides in Beziehung brächten. Synchronizität sei definiert als etwas, “das auf einen Sinn hinweist”.
Wichtig sei, dabei “nicht in leicht-flockige Esoterik zu verfallen”, betonte der Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Eine Gefahr liege “im irrationalen Abdriften”: Es gelte daher, “die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Also nicht in allem eine Synchronizität sehen zu wollen, wenn wir eine andere vernünftige Erklärung haben.” Zugleich könnten solche Erfahrungen durchaus bei der Selbstreflexion helfen. Sie ernstzunehmen, ermögliche zudem eine “Haltung der Offenheit, die Eröffnung eines Möglichkeitsraums”. Leibig: “Wir sollten, nur weil es schwer fassbar ist, diese Dimension nicht einfach ausblenden.”