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“Wichtig ist, dass Menschen Menschen zuhören”

Fast 180.000 Mal haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 17 Telefonseelsorgestellen in Bayern 2024 mit Ratsuchenden gesprochen. Wie hilfreich das ökumenische Angebot der Kirchen ist und welche Schlüsse die Kirchen selbst daraus ziehen können, hat eine neue Studie untersucht. Die Sprecherin der Regionalkonferenz Bayern der Telefonseelsorge, Elisabeth Peterhoff (Bayreuth), erläutert dem Evangelischen Pressedienst (epd) die Ergebnisse – aber auch, welche Rolle KI bei der Suche nach Hilfe in Zukunft spielen wird.

epd: Wegen der Anonymität der Anruferinnen und Anrufer bei der Telefonseelsorge konnte man für die Studie ja nicht diejenigen fragen, die Rat suchten, ob Ihnen die Telefonseelsorge geholfen hat. Wie kann man dennoch wissen, dass Menschen entlastet, stabilisiert oder sogar von einer Verzweiflungstat abgehalten wurden?

Elisabeth Peterhoff: Es gibt viele direkte Reaktionen bei den Telefonaten. Sie enden oft mit: „Ach vielen Dank, da haben Sie mir jetzt geholfen“, „Jetzt habe ich neue Denkansätze“ oder „Jetzt kann ich es auch anders sehen“. Auch Menschen, die vor einer Verzweiflungstat standen, die meinten, dass sie gar nicht mehr können, geben mit zeitlichem Abstand immer wieder Rückmeldungen und berichten „Ihr habt mir damals so geholfen“. Beim bundesweiten Rücklaufmanagement der Telefonseelsorge gehen wenig Beschwerden, aber vor allem Dankesschreiben ein.

epd: Hier liegt die Zukunft der Kirche – ist die Studie überschrieben. Was kann denn die Telefonseelsorge schon, was Kirche können sollte?

Peterhoff: Revolutionär ist, dass die beiden Kirchen bundesweit gemeinsam einen Verein tragen und Telefonseelsorge grundsätzlich ein ökumenisches Selbstverständnis hat. Man hält sich nicht mit unnötigen Abgrenzungen auf. Das Zweite ist, wir schulen und qualifizieren die Ehrenamtlichen für ein unter dem Strich professionelles Angebot. Zudem kommt die Telefonseelsorge mit ihrem 24-Stunden-Dienst mit wenigen Hauptamtlichen für viele Ehrenamtliche aus. Wir haben große Mitspracherechte und Mitgestaltungsrechte für Ehrenamtliche. Es wird sehr viel Wert auf Ausbildung, Begleitung und Supervision gelegt, ohne die das System Telefonseelsorge nicht funktionieren könnte. Kirche könnte vielleicht von uns lernen, wie mit wenigen Hauptamtlichen viele Ehrenamtliche für einen professionellen Dienst qualifiziert werden.

epd: Hinter der Telefonseelsorge stehen lebendige Menschen. In einer ständig digitaler werdenden Welt fragen die Leute aber immer häufiger die KI um Rat. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Peterhoff: Ich sehe sie kritisch. Ich finde wichtig, dass Menschen Menschen zuhören. Hinter der KI stehen keine Menschen mit ihrer Lebensgeschichte, ihrer Erfahrung, ihrer seelischen Resilienz. KI ist auf theologischer und philosophischer Ebene eine große Herausforderung und rüttelt an unserem Menschenbild. Warum vertrauen sich Menschen lieber einer Maschine an? Da stecken noch unheimlich viele Fragen drin, auf die wir noch keine Antworten haben. Wir setzen uns damit auseinander und müssen herausarbeiten, was ein echter menschlicher Kontakt ist. Übrigens: Kollegen haben zur Probe die KI mehrfach um Rat gefragt, was sie tun sollen, sie wollten sich das Leben nehmen. Dann sagt künstliche Intelligenz: „Rufen Sie die Telefonseelsorge an.“ Das wiederum stimmt optimistisch. (3372/29.10.2025)