„Wir haben auch beschlossen, dass es das Bibelmuseum ‘Bibliorama’ in Stuttgart in seiner jetzigen Form nicht mehr geben wird.“ Es war ein Paukenschlag, formuliert als Randnotiz, was der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl im Sommer gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) verkündete, als es um geplante Einsparungen im landeskirchlichen Haushalt ging. Ende Januar soll Schluss sein in der Büchsenstraße in Stuttgart.
Wie die Landeskirche dem epd auf Anfrage mitteilte, hatte die Landessynode den Oberkirchenrat während ihrer Sommertagung gebeten, einen Haushaltsplan zu entwerfen, der die Schließung des Biblioramas im Jahr 2026 vorsieht. Geplant sind demnach statt der bisherigen 490.000 Euro künftig noch 140.000 Euro für anderweitige Bibelarbeit, beispielsweise mobil oder in Kooperation. Der Beschluss zum Haushaltsplan soll während der Herbstsynode in dieser Woche getroffen werden.
Dabei war das Museum erst 2015 eröffnet worden. Es erhielt mehrere Preise – unter anderem für sein partizipatives Konzept. Hauptgrund für die geplante Schließung sind dem Vernehmen nach notwendige Einsparmaßnahmen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, die als Trägerin das Museum finanziert hat und den Betrieb im Rahmen eines umfassenden Sparkurses nicht fortsetzen wird. Ob die Arbeit an anderer Stelle weitergehen wird, ist derzeit ungewiss.
Die Botschaft vom Aus des Museums sorgte für Reaktionen weit über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus. Damit gehe nicht nur Stuttgart, sondern dem ganzen Land eine bedeutende Einrichtung verloren, sagte Veit Dinkelaker, Direktor des Bibelhaus Erlebnis Museums in Frankfurt am Main, dem epd: „Das Bibliorama ist ein zukunftsweisender Ort für die Arbeit mit der Bibel als einem Dokument, das unsere Gesellschaft formatiert und prägt, ganz gleich welcher Herkunft und Überzeugung wir sind.“
In Deutschland gibt es rund 20 Bibelmuseen und -zentren. Das Bibliorama in Stuttgart zählt neben dem Bibelhaus Erlebnis Museum Frankfurt, dem Bibelmuseum der Universität Münster, dem Bibelmuseum Bayern in Nürnberg, der Bibelgalerie Meersburg am Bodensee und dem Bibelzentrum Barth an der Ostsee zu den wichtigsten und bekanntesten.
All diese Museen erschließen niedrigschwellig, und zugleich auf höchstem didaktischen und wissenschaftlichen Niveau eines der wichtigsten Dokumente unserer Gesellschaft. „Die Bibel ist voll von Geschichten, in denen Menschen seit jeher ihre Erfahrungen wiederfinden – ganz gleich, ob sie Kirchenmitglied sind“, sagt Christoph Rösel, Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart. Kaum ein gesellschaftlicher Bereich, der nicht durch sie geprägt wurde: von den Zehn Geboten bis zum Gebot der Nächstenliebe.
Laut Umfragen besitzen in Deutschland sieben von zehn Haushalten mindestens eine Bibel. Und selbst 63 Prozent derjenigen, die nie darin lesen, halten die Bibel für eine zentrale Werte- und Normenquelle. „Unsere Vorstellungen von Recht, Freiheit, Menschlichkeit und Vergebung sind durch biblische Texte tief in unser kollektives Bewusstsein eingedrungen“, so Rösel. „Wenn es um Hilfe für Bedürftige geht, unabhängig von Herkunft oder Kultur, ist die Erzählung vom barmherzigen Samariter bis heute ein unübertroffenes Bild.“
Umso unverständlicher erscheint es vielen, dass nun ausgerechnet das Bibelmuseum in Stuttgart den Sparplänen zum Opfer fallen soll. Herrmann Billmann, stellvertretender Leiter der Bibelgalerie Meersburg spricht von einer „deutlichen Schwächung der Bibelmuseums-Landschaft“ in Deutschland. Man gebe damit ein „Schaufenster der Kirche hinein in eine offene Gesellschaft“ auf. Billmann: „Es ist für uns völlig unverständlich, dass die Württembergische Landeskirche ausgerechnet hier sparen will.“ Damit werde eine Chance aus der Hand gegeben, zu zeigen, „wie verbunden unsere Kultur und Geschichte mit der Bibel nach wie vor sind, selbst wenn die Zahl der Christen schwindet“.
Noch deutlicher wird Michael Tilly, Professor für Neues Testament an der Universität Tübingen und Kuratoriumsmitglied im Stuttgarter Bibelmuseum. „Wenn ein Wirtschaftsunternehmen notwendige Einsparungen vornehmen muss und als erstes aufhört, für sein wichtigstes Produkt zu werben, spart es zwar kurzfristig Geld, aber verkauft langfristig nichts mehr und geht letztendlich pleite“, sagt er. „Die Kirchen müssen aufpassen, dass sie diesen fatalen Fehler nicht begehen.“
Mit der Schließung von Bibelmuseen entstehe zudem die Gefahr, „dass die Kirchen das Alte und das Neue Testament denjenigen überlassen, die das Schriftwort nicht in unsere Zeit übertragen, sondern ihre Ideologien in die biblischen Texte eintragen wollen“, sagt er. Tilly hält die geplante Schließung für verkehrt: „Diese schmerzliche Lücke wird kaum zu schließen sein.“ (2670/22.10.2025)