Foto: flickr/Sascha Kohlmann
Von Veit Hoffmann
Es geschah an einem kalten Januarmorgen 2007 in Washington DC. An einer U-Bahnstation stand ein junger Mann und spielte auf seiner Geige Stücke von Bach und Schubert. Von 1097 vorbeieilenden Menschen sind nur 7 stehen geblieben um ihm zuzuhören. Manche warfen beim Vorübergehen Geld in den Geigenkasten. Nach 43 Minuten kam eine Summe von 32,17$ zusammen. Die Menschen ahnten nicht, dass hier der berühmte Musiker Joshua Bell auf seiner Stradivari spielte. Am Abend zuvor spielte er vor ausverkauftem Haus in Boston für 100$ pro Sitzplatz.
Hinter dieser Aktion stand die Washington Post mit der Frage: Können wir Schönheit in unserem alltäglichen Umfeld zu einem unangemessenen Zeitpunkt wahrnehmen und wertschätzen? Nein, können wir nicht! Schon gar nicht bei fieser Kälte, wenn die Augen tränen,die Füße frieren und wir es eilig haben. Kälte lässt innerlich schrumpfen, dann arbeiten Herz und Kopf nicht zusammen.
Das Experiment wäre an einem Wochenende im Frühling sicherlich anders verlaufen. Dann sind die Menschen nicht so in Eile, laufen nicht so schnell vorbei.
Dennoch berührt mich das Experiment gerade jetzt, im Advent, der „Jahreszeit der Freuden und Wunder“. Rennen und hasten wir nicht am ursprünglichen Sinn der Adventszeit vorbei, so wie die Menschen an Joshua Bell, dem Stargeiger? Ich denke an Hunde, die dem mechanischen Kaninchen nachjagen – dem unerreichbaren Glück.
Gott will sich Raum verschaffen im engen Korsett des Menschen und findet dort kaum Platz. Zu eng ist es geschnürt. Keine Herberge! Da ist die Frau, die von ihrem Mann kaum beachtet wird. Er geht an ihr vorbei wie an einem Möbelstück. Da ist der Geringverdiener, der täglich 8 Stunden arbeitet und dennoch kaum seine Miete zahlen kann. Lieblos, frostig und roh gehen viele Menschen miteinander um. Im Laufe der Jahrzehnte meines Pfarrberufes habe ich zudem so viele Menschen kennengelernt, deren Leben einer Flipperkugel glich, die auf einem Spielfeld mit Hindernissen hin und her gestoßen wird. Trotzdem versuchen alle irgendwie ihr Bestes. Der Philosoph Peter Sloterdijk sagte einmal: Wer Menschen sucht, wird Akrobaten finden. Stimmt!
Als ich kürzlich mit dem Hund an unserem kleinen Buchladen in der Bölschestrasse vorbeiging, schaute ich in die Auslage. Da lag eine kleine goldbestaubte Walnussschale mit einem Christuskind drin. Fast wäre ich auch daran vorbeigelaufen.
Es ist wirklich Zeit für Besinnung!
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten 3. Advent.
Veit Hoffmann