Artikel teilen:

Wenn demenzkranke Menschen aufblühen – Willkommen im Café Malta

Puzzlen und singen: Im Café Malta finden demenzkranke Menschen neue Wege der Verständigung. Sie trainieren spielerisch Fähigkeiten, die sonst im Alltag langsam verloren gehen würden. Das hilft auch ihrem Umfeld.

Wenn Mireille mit ihrem Mann ins Café Malta kam, begrüßte sie die anderen nicht in französischer Sprache und singend. Eigentlich sprach sie sehr gut Deutsch – aber aufgrund der fortgeschrittenen Demenz war ihr die Muttersprache näher; ein weiteres wichtiges Ausdrucksmittel war die Musik. Also sang sie beim Eintreten. “Sie hatte eine ganz bestimmte Begrüßungsmelodie”, erklärt Gabriele Libersky, Leiterin der Betreuungsgruppe für Menschen mit Demenz im Frühstadium.

Im Café Malta sei es durchaus üblich, sich durch Singen oder Summen zu verständigen; dies sorge für eine angenehme Atmosphäre und ermögliche es allen, trotz kognitiver Einschränkungen miteinander “im Gespräch” zu bleiben.

Sie vergessen soeben Gesagtes, können Gegenstände und Personen nicht mehr benennen, verlieren die Orientierung oder verlegen Dokumente – Demenzkranke stellen ihre Angehörigen vor besondere Herausforderungen. Um letzteren einen freien Nachmittag zu ermöglichen und die Erkrankten zugleich aus der sozialen Isolation zu holen, wurde vor etwa drei Jahren das Café Malta im Münchner Osten ins Leben gerufen – eines von fast 50 in ganz Deutschland. Hier treffen sich jeden Dienstagnachmittag bis zu sechs von Demenz Betroffene als feste Gruppe, um beim gemeinsamen Kaffeetrinken, beim Puzzeln oder bei Bewegungs- und Brettspielen ihre körperlichen und sozialen Fähigkeiten lebendig zu halten.

Was auf den ersten Blick einem gängigen Seniorennachmittag gleicht, erweist sich für das Betreuungsteam mitunter als schwierig: “Es kommt vor, dass beim Kaffeetrinken das Gespräch als Durcheinander ohne gemeinsamen Faden erscheint”, berichtet die Leiterin. Zudem sei es möglich, dass jemand immer wieder dieselbe Geschichte erzähle oder unvermittelt etwas ausspreche, das nicht zu dem zuvor Gesagten passe.

Mit Geduld, Einfühlungsvermögen und Fachwissen ermutigt das geschulten Helferteam die Betroffenen trotzdem, sich an der Unterhaltung zu beteiligen und so ihr Ausdrucksvermögen zu üben. Ein wichtiger Grundsatz dabei: dem Erkrankten auf Augenhöhe begegnen und seine Würde wahren.

So erwähnen die Ehrenamtlichen beispielsweise beim Gespräch – soweit bekannt – ganz bewusst Ereignisse aus dem Leben der Gäste, um dem drohenden Verlust der eigenen Identität entgegenzuwirken. Da mehrere Mitglieder der aktuellen Gruppe nicht in Deutschland geboren wurden, rollt Libersky des Öfteren die Europa-Karte aus, um über die Heimatländer und die dort verbrachte Zeit der Gruppenmitglieder zu sprechen.

Mit dem Blumenschmuck an der gedeckten Tafel und gesungenen Liedern wird überdies ein Bezug zur momentanen Jahreszeit hergestellt; schließlich wird mit dem Fortschreiten der Krankheit auch die zeitliche Orientierung schwieriger. Charakteristisch für die Menschen mit Demenzerkrankung sei, dass sich viele noch erstaunlich gut an die Liedtexte und Spiele ihrer Kindheit erinnerten, wohingegen der gestrige Tag vergessen sei, erklärt die Leiterin.

Nach neuesten Berechnungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft leben in Deutschland derzeit rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung; allein 2023 waren rund 400.000 Neuerkrankungen zu verzeichnen. Bei einer Demenz handelt es sich – entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch – nicht um ein eigenständiges Leiden, sondern um eine Kombination bestimmter Symptome, die als Folge anderer Erkrankungen auftreten. Die häufigste davon ist Alzheimer, die als typische Alterskrankheit gilt und aufgrund der steigenden Lebenserwartung immer häufiger diagnostiziert wird. Prognosen zufolge wird die Zahl der über 65-jährigen mit Demenz auf bis zu 2,7 Millionen im Jahr 2050 steigen.

Heilbar ist eine Demenz nach heutigem Stand nicht; in Einrichtungen wie dem Café Malta oder in der Ganztagsbetreuung “Tagesstätte Haus Malta” – beide stehen unter der Trägerschaft der Malteser – wird versucht, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu bremsen. “Manchmal bleiben die Angehörigen in der Gruppe dabei und sind erstaunt, was ihrem Verwandten hier noch möglich ist”, erzählt Libersky.

So ist auch Mireilles Ehemann ein regelmäßiger Besucher des Café Malta geworden und nimmt inzwischen als Helfer noch an den Treffen teil, obwohl Mireille inzwischen verstorben ist. Für ihn und die Ehrenamtlichen ist es beglückend zu sehen, mit welchem Eifer und welcher Freude alle bei der Sache sind. “Bei Menschen mit Demenz bleiben die Emotionen viel länger erhalten als die kognitiven Fähigkeiten”, weiß Libersky: “Und das Herz wird nicht dement”.