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Wen Gott besucht, der lebt

Der Tod hat nicht das letzte Wort. Zum Predigttext für den 16. Sonntag nach Trinitatis.

Predigttext am 16. Sonntag nach Trinitatis. Lukas 17,11–17Der Jüngling zu Nain11 Und es begab sich danach, dass er in eine Stadt mit Namen Nain ging; und seine Jünger gingen mit ihm und eine große Menge. 12 Als er aber nahe an das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der der einzige Sohn seiner Mutter war, und sie war eine Witwe; und eine große Menge aus der Stadt ging mit ihr. 13 Und als sie der Herr sah, jammerte sie ihn und er sprach zu ihr: Weine nicht! 14 Und trat hinzu und berührte den Sarg, und die Träger blieben stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! 15 Und der Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und Jesus gab ihn seiner Mutter. 16 Und Furcht ergriff sie alle, und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und: Gott hat sein Volk besucht. 17 Und diese Kunde von ihm erscholl in ganz Judäa und im ganzen umliegenden Land.

Von Friedemann Düring

Welche Tragik! Sie ist himmelschreiend und macht gleichzeitig sprachlos. Der Ehemann schon tot, der einzige Sohn folgt, die Witwe muss von nun an allein zurechtkommen. Nach damaligem gesellschaftlichem Verständnis nahm das der Frau ihre gesamte Lebensgrundlage. Sie hatte keinen mehr, der sie versorgen konnte. Das Pressefoto des Jahres 2013 fällt mir ein. Der schwedische Fotograf Paul Hansen hat es bei einem Trauerzug durch Gaza City aufgenommen. Im Bildvordergrund halten Männer zwei tote Kinder in den Armen. Auch wenn es hinterher Diskussionen um die Echtheit des Bildes gab – es zeigt eindrücklich das Entsetzen, das Menschen erfasst, wenn der Tod plötzlich und unvermittelt unter sie kommt; Ohnmacht, Trauer und Wut. Trotz seiner Kürze und Schlichtheit weist der Bibeltext eine erstaunliche Dichte auf. Was passiert hier eigentlich zwischen den Menschen und Jesus? Zunächst die gegenläufige Bewegung: Der Trauerzug zieht aus der Stadt hinaus, so wie es damals üblich war; raus aus der Stadt in die Einsamkeit. Jesus und die Seinen sind auf dem Weg in die Stadt, dahin wo das Leben pulsiert. Die Begegnung ist unausweichlich. Trotzdem, sie hätten auch aneinander vorbeigehen können, ohne dass etwas geschehen wäre. Die Trauernden haben tränenverschwommen sowieso nur den Toten im Sinn. Und die anderen blicken lieber weg. Wie soll man auch angesichts von Trauer und Leid reagieren? Lieber einen Bogen machen?

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