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Welthungerhilfe: Das ist für Myanmar ein Jahrhundert-Beben

Nach dem schweren Erdbeben in Myanmar werden Tausende Tote befürchtet. Die Informationen aus dem von Armut und Konflikten ohnehin geschwächten Land sind aber spärlich und schwer zu bekommen. Die Welthungerhilfe ist in Myanmar vor Ort und gut vernetzt. Programmvorständin Bettina Iseli umreißt die Lage im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Die Welthungerhilfe ist seit langem in Myanmar mit eigenen Mitarbeitenden vor Ort. Welche Einblicke haben Sie in die Lage nach dem Erdbeben?

Bettina Iseli: Die Welthungerhilfe ist seit 2002 in Myanmar. Wir haben eigene Büros in Yangon und Mandalay, der zweitgrößten Stadt, die ja ganz nah beim Epizentrum des Bebens liegt. Daher haben wir einen direkten Draht ins Erdbebengebiet. Unsere Kolleginnen und Kollegen versuchen derzeit, sich einen Überblick zu verschaffen. Wie gut sie an Informationen kommen, hängt aber auch stark davon ab, ob eine Telefonverbindung möglich ist und ob Straßen passierbar sind.

Wir wissen von verheerenden Zerstörungen, nach wie vor sind Menschen unter den Trümmern begraben. Unser Landesdirektor berichtet, wie die Menschen mit Schaufeln versuchen, die Verschütteten zu retten. Und das alles vor dem Hintergrund, dass es dort momentan 42 Grad heiß ist.

Von dem, was wir bisher sehen, ist das für Myanmar ein Jahrhundert-Erdbeben. Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl der Toten noch deutlich steigt. Derzeit liegen die offiziellen Zahlen bei 1.700, Hunderte Menschen werden noch vermisst.

epd: Wie können Sie Hilfe leisten – gerade auch in den umkämpften Regionen des Landes?

Iseli: Die Welthungerhilfe ist eng vernetzt, auch in den von Rebellen kontrollierten Gebieten. Wir haben Kontakt zu vielen Dorfkomitees, mit denen wir seit langem im Bereich langfristige Entwicklung gearbeitet haben. Das sind unsere wichtigsten Ansprechpersonen, mit denen wir auch versuchen, die Hilfe zu organisieren.

Und die Hilfe wird jetzt gebraucht. Wir haben nicht viel Zeit. Und dazu sind wir absolut dringend auf Spenden angewiesen, um die Hilfe leisten zu können. Wir verteilen Wasser und Lebensmittel. Die Menschen brauchen aber auch ein Dach über dem Kopf. Über unsere lokalen Partnerorganisationen kommen wir auch in die betroffenen Gebiete, die unter Kontrolle von Rebellen stehen. Wir sind vor Ort und können die Hilfe ausweiten, wenn wir die finanziellen Mittel dazu bekommen.

epd: In welcher Situation hat das Erdbeben Myanmar getroffen?

Iseli: Die Menschen waren schon vor dem Beben in einer extrem schwierigen Lage. Ein Drittel der Bevölkerung in Myanmar war bereits vor der Katastrophe auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das Erdbeben trifft eines der ärmsten Länder der Welt, wo viele Menschen ums Überleben kämpfen.

Zuletzt hat das Einfrieren der US-Entwicklungsgelder die Situation weiter verschärft. Eines der anschaulichsten Beispiele ist, dass das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen deswegen Nahrungsmittelverteilungen einstellen musste. Und das bedeutet natürlich, dass der Hunger weiter zunimmt. Das war schon vor dem Erdbeben so, das aber macht nun alles noch viel schlimmer. In der jetzigen Situation ist jede Hilfe willkommen – und nötig.