Artikel teilen:

Weltbürger treffen sich in Windhoek

In Namibia hat der Lutherische Weltbund seine Vollversammlung abgehalten. Die Delegierten beschäftigten sich mit Themen wie der Erhaltung der Schöpfung und dem internationalen Menschenhandel. Auch das Reformationsjubiläum wurde gefeiert

Norbert Neetz

„Ein feste Burg ist unser Gott“, spielt der Posaunenchor, als das Kreuz ins Sam-Nujoma-Stadion im Windhoeker Township Katutura getragen wird. Unter der gleißenden Sonne Namibias haben sich mehrere tausend Menschen versammelt, um gemeinsam einen Gottesdienst zu feiern. Es ist die weltweite Feier des Reformationsjubiläums, veranstaltet vom Lutherischen Weltbund. Der weltweite Dachverband von 147 lutherischen Kirchen in 98 Ländern, die zusammen auf rund 74 Millionen Mitglieder kommen, hat seine Vollversammlung in Windhoek abgehalten. Denn Namibia ist das afrikanische Land, in dem prozentual gesehen die meisten Lutheraner leben.
Entsprechend bunt ist das Publikum im Stadion: Da ist die Pfarrrerin aus Malawi, die in einem über und über mit Lutherrosen bedruckten Kleid lautstark mitsingt, als der namibische Chor das „Esimanoly Kalunga“, das Gloria auf Oshiwambo, anstimmt. Da ist die Bischöfin aus Island, die zum schwarzen Minikleid ein Collar, den weißen Priesterkragen, trägt. Und da ist der namibische Staatspräsident Hage Geingob, der es sich nicht nehmen ließ, zum Höhepunkt der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes, der weltweiten Feier des Reformationsgedenkens, ins Stadion zu kommen.
„Wir stehen vor einer spirituellen und theologischen Aufgabe: Unsere Geschichte aus einer Perspektive der Einheit und nicht der Trennung zu erzählen“, sagt der scheidende Präsident des LWB, der palästinensische Bischof Munib Junan. „Und heute, hier in Namibia, sind wir alle zusammen, als ein Zeichen dafür, dass die Reformation andauert, und in der Tat eine Weltbürgerin geworden ist.“
Was auch der 57-jährige nigerianische Erzbischof Musa Panti Filibus deutlich macht. Ihn wählten die Delegierten zum neuen Präsidenten  – womit er zumindest protokollarisch auf einer Ebene mit dem Papst der Katholiken oder den Patriarchen der Orthodoxen steht. Er folgt auf den turnusgemäß ausscheidenden Palästinenser Munib Junan, und ist in der Geschichte der lutherischen Weltorganisation der zweite Afrikaner an der Spitze. „Wir leben als Christinnen und Christen in einer zerbrochenen Welt“, sagte er nach seiner Wahl. „Wir stehen vor der Herausforderung, eine Alternative zu dieser Welt voller Konflikte zu sein.“ Auch der Leiter der deutschen Delegation, der Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des LWB, Landesbischof Gerhard Ulrich aus Baden, begrüßte die Wahl. „Erzbischof Filibus kennt den Lutherischen Weltbund von innen“, sagte Ulrich. In Afrika sei er hochakzeptiert, von Männern und Frauen. „Er ist ein theologisch fundierter Bruder, der ökumenisch vernetzt ist.“
Inhaltlich beschäftigte sich die Vollversammlung schwerpunktmäßig mit dem Thema „Befreit durch Gottes Gnade“. Dabei bezogen die Lutheraner Position zum internationalen Menschenhandel oder dem Umgang mit der Schöpfung. Besondere Aufmerksamkeit erhielt der kongolesische Arzt Dennis Mukwege: Der Mediziner, der wegen seines Einsatzes für vergewaltigte Frauen mehrfach für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, forderte die Kirchenvertreter auf, sich entschieden gegen sexuelle Gewalt zu positionieren. „Es hängt von uns ab, den Erben Martin Luthers, alle Macho-Dämonen, die die Welt beherrschen, durch Gottes Wort auszutreiben”, sagte Mukwege. Bisher gäbe es keine internationale Ächtung des Einsatzes von sexualisierter Gewalt in Kriegen.