Predigttext am 8. Sonntag nach Trinitatis: Johannes 9, 1–7Die Heilung eines Blindgeborenen1 Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. 2 Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? 3 Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm. 4 Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. 5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt. 6 Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden. 7 Und er sprach zu ihm: Geh zum Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.
Von Norbert von Fransecky
Die kleine Heilungsgeschichte Johannes 9,1–7 ist der Auftakt zu einer intensiven Diskussion, die das gesamte Kapitel anhält. Kein Wunder; eine scheinbar harmlose Frage öffnet die Büchse der Pandora, in der sich eines der schwierigs-ten Probleme für christliche Theologen befindet: Warum lässt Gott es zu?
Mit der Frage, wer gesündigt hat, der Blindgeborene oder seine Eltern, bewegen sich die Jünger in den Bahnen klassischer Theologie ihrer Zeit. Unerklärliche Krankheiten galten als Strafen Gottes; der Erkrankte somit automatisch als Sünder. Mit einem kurzen Satz wischt Jesus diese Erklärung vom Tisch. Ohne etwas von dem Mann oder seiner Familie zu wissen, erklärt er: “Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern.”
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Norbert von Fransecky ist Religionslehrer in Berlin-Spandau. Foto: privat