Kennen Sie ein Nörgele? Vielleicht aus der Frauenhilfe, dem Männerkreis, dem Sportverein, der Verwandt- oder Bekanntschaft? Ein Nörgele hat an allem etwas auszusetzen. Überall wird nach Fehlern gesucht. Die werden dem vermeintlich Schuldigen genüsslich unter die Nase gerieben.
Mir begegnete das Original-Nörgele während einer Freizeit in einem Südtiroler Märchenbuch. Und siehe da, unsere Gruppe hatte ein waschechtes Exemplar der Gattung zu bieten. Der neue Name half uns künftig, die Teilnehmerin mit Humor zu nehmen.
Wie komme ich auf das Thema? Vor ein paar Tagen las ich die schräge Meldung in meiner Tageszeitung. Die berichtete von einer 103-Jährigen, die nicht aus dem Fenster stieg und verschwand. Nein, die alte Dame flog nach 92 Jahren aus ihrer Kirchengemeinde. Das geschah in den Vereinigten Staaten. Grund war wohl eine Meinungsverschiedenheit über den Predigtstil.
Mehreres kam mir in den Sinn bei dieser Meldung. Zum Einen handelt es sich bei der Seniorin wohl auch um so ein Nörgele. Was mir aber wirklich fehlt in dieser Geschichte, ist die christliche Tugend der Vergebung.
Darf eine Kirchengemeinde wirklich jemanden aus so einem Grund ausschließen? Sollte sie sich nicht in Geduld fassen und der Kritik das zweite Ohr hinhalten?
Leider weiß ich nicht, wie die Geschichte ausgegangen ist. Die Frau jedenfalls will weiterhin ihre Kirche besuchen, die sie liebt. So will ich mir vorstellen, dass sie am Sonntag nach dem Ausschluss hocherhobenen Hauptes durch die Tür ihre Kirche betrat. Ihre Gemeinde ist inzwischen zur Besinnung gekommen und erträgt ihr Nörgele mit Humor und Geduld.