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Was wäre aus uns geworden?

Ohne Regeln kein Zusammenleben. Das wusste schon Mose. Die Zehn Gebote sind bis heute eine Art „universales Grundgesetz“. Es lohnt, darüber mal wieder nachzudenken

Was Leuten spontan einfällt, wenn man sie nach den Zehn Geboten fragt? Zuerst oft wenig Positives. Vom Konfirmandenunterricht ist   die Rede, vom mühsamen Auswendiglernen von Text und Erklärungen und vom gefühlten Druck. Dabei scheint auch gleich das schlechte Gewissen auf, weil so vieles vergessen ist: „Ich weiß gar nicht mehr alle.“ – „Wie war das eigentlich mit der Reihenfolge?“ – „Gab‘s da nicht mehrere Zählweisen?“
Zugegeben: Die Befragung ist  nicht repräsentiv. Trotzdem macht sie klar: Die Zehn Gebote, das gebetsmühlenartig wiederholte „Du sollst“ – es klingt offenbar in den Ohren vieler Zeitgenossinnen und Zeitgenossen noch immer nach Zwang und nach, wie eine Befragte sagte, „moralinsaurem Christentum“.
Ob das daran liegt, dass die Botschaft der Gebote diesen Menschen früher schlecht vermittelt wurde? Oder dass sie als Konfirmandinnen und Konfirmanden schlichtweg noch zu jung waren, um sie in aller Tiefe zu verstehen? Oder dass wir ohnehin in einem zu dichten Netz von Regeln und Gesetzen, Ge- und Verboten leben?
Denn es ist ja so: Wo wir auch hinblicken, man sagt uns, was wir zu tun – und (noch öfter) was wir zu lassen haben:  Betreten der Baustelle zum Beispiel, Parken oder Plakate ankleben. Besonders unbeliebt sind Geschwindigkeitsbegrenzungen.
„Es ist immer traurig, wenn man mit Verboten arbeiten muss, andererseits ist es genauso traurig, wenn man sieht, dass sie häufig nötig sind“, meint der Satiriker und Kolumnist Oliver Kalkofe. Wie recht er hat. Wir Menschen wissen zwar, was falsch und was richtig ist. Aber wir handeln nicht danach, jedenfalls nicht immer. Darum brauchen wir Regeln.
Einer der ersten, der das erfahren musste, war Mose, als er nach der Befreiung aus Ägypten mit seinen Leuten in der Wüste unterwegs war. Wäre die Sache mit den Geboten nicht passiert, wäre vermutlich damals alles aus dem Ruder gelaufen. Und wer weiß, was dann aus dem Volk Israel geworden wäre…
Und was aus uns… Denn die Zehn Gebote – sie sind noch immer eine Art universales Grundgesetz. Sie prägen nicht nur unser Empfinden von Richtig und Falsch und die Rechtsgeschichte, sie prägen auch unsere Kultur: In Gemälden und Texten begleiten sie uns bis heute.
Dabei geht es heute auch nicht immer nur bierernst zu. Schmunzeln kann man über jede Menge Neufassungen und „elfte Gebote“. Zum Beispiel über das von Hans Conrad Zander mit dem Titel „Du sollst keine Jesusfilme machen“. Die Begründung liefert der Schriftsteller gleich mit: „… weil das absolut Gute absolut langweilig ist“.
Die Zehn Gebote – einstmals in Stein gemeißelt – müssen uns heute nicht mehr erdrücken. Man kann – und man sollte! – aber über sie reden und immer wieder neu fragen, was sie uns zu sagen haben. Vor allem sollten wir wohl wieder lernen, sie im Licht der Befreiung zu sehen, von der im ersten Gebot die Rede ist (mehr zu den Zehn Geboten auf Seite 2).