Die Bundesregierung will die Regeln für die Nierenspende durch lebende Menschen lockern und erhofft sich davon eine höhere Zahl solcher Transplantationen. Der Gesetzentwurf des Bundesgesundheitministeriums wurde am Mittwoch im Kabinett beschlossen. Der Evangelische Pressedienst (epd) gibt einen Überblick.
Was gilt bisher?
Wer jemand anderem zu Lebzeiten ein Organ oder Teile davon spenden will, muss die betreffende Person gut kennen: Voraussetzung ist eine enge Verbindung, etwa Verwandtschaft ersten oder zweiten Grades, Verlobung, Lebenspartnerschaft oder ein anderweitig enges Verhältnis, dass „offenkundig“ sein muss. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die Spende aus persönlicher Verbundenheit erfolgt und nicht beispielsweise aus finanziellen Beweggründen. Die Spender und Spenderinnen müssen außerdem volljährig und einwilligungsfähig sein und sie dürfen durch die Transplantation nicht über das reine Operationsrisiko hinaus gesundheitlich gefährdet werden.
Was soll sich ändern?
Der Gesetzentwurf sieht zwei neue Optionen für die Lebendnierenspende vor: Eine ist die sogenannte Überkreuzspende. Sie bezieht sich auf den Fall, dass jemand einer nahestehenden Person eine Niere spenden möchte, dies aber aus immunologischen Gründen nicht möglich ist – das Spenderorgan würde nach der Verpflanzung abgestoßen. Die Rede ist dann von einem „inkompatiblen Organspendepaar“. Solche Paare sollen künftig „überkreuz“ spenden können: Die spendewilligen Partner können dann ihr Organ dem spendebedürftigen Partner des anderen Paares zur Verfügung stellen. Eine Bekanntschaft zwischen den Paaren ist keine Voraussetzung.
Außerdem soll die „nicht gerichtete anonyme Nierenspende“ erlaubt werden. Das heißt, jemand kann auch ganz ohne Verbindung zu einer Person mit Organspendebedarf eine Niere zur Verfügung stellen, ohne zu wissen, wer sie bekommt. Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass eine solche Spende selten vorkommen wird. Die schon heute gültigen Vorgaben zu Volljährigkeit und gesundheitlichen Risiken bleiben bestehen.
Wie wird das Ganze organisiert?
Es sollen laut Gesundheitsministerium „ein Programm für die Vermittlung und Durchführung“ der neuen Spendemöglichkeiten und eine dafür zuständige Stelle aufgebaut werden. Die Details blieben am Mittwoch zunächst offen. „Die Vermittlung der Nieren im Rahmen der Überkreuzlebendnierenspende und der nicht gerichteten anonymen Nierenspende erfolgt ausschließlich nach medizinischen Kriterien und unter Wahrung der Anonymität“, betonte das Ministerium.
Was sieht der Gesetzentwurf noch vor?
Den psychischen und sozialen Folgen einer Lebendorganspende soll mehr Beachtung geschenkt werden. Für die Spendewilligen wird deshalb eine „unabhängige psychosoziale Beratung und Evaluation“ vor dem Eingriff verpflichtend. Auch soll ihnen „während des gesamten Spendeprozesses eine unabhängige Lebendspendebegleitperson zur Seite gestellt werden“, zum Beispiel eine Ärztin oder Pflegefachkraft.
Wenn jemand, der eine Niere gespendet hat, im weiteren Lebensverlauf wegen einer Erkrankung selbst eine Nierentransplantation braucht, soll die frühere Spende bei der Organvermittlung „angemessen berücksichtigt werden“. Die Details sollen in Richtlinien der Bundeärztekammer festgelegt werden.