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Was bei der Idee vom “produktiven Versagen” oft vergessen wird

In der heutigen Gesellschaft darf man scheitern – aber bitte richtig: Ein Misserfolg soll möglichst schnell zur neuen Chance werden. Darin sieht eine Forscherin auch Tücken – und warnt vor falschen Erwartungen.

“Schöner scheitern” – diese vielgepriesene Idee ist nach Worten einer Literaturwissenschaftlerin auch eine soziale Frage. “Wenn man einmal richtig gescheitert ist, muss man es sich leisten können, einen neuen Versuch zu starten”, sagte Nora Weinelt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag. Ihr Buch “Versagen” ist vor kurzem erschienen.

Die Vorstellung, dass man aus dem Scheitern lernen könne, sei im Silicon Valley besonders ausgeprägt, also im Zentrum der US-Tech-Industrie in Kalifornien. “Zum Prinzip der StartUp-Kultur gehört es tatsächlich dazu, dass viele Unternehmungen in den Sand gesetzt werden”, sagte die Autorin. Auch könne es für den oder die Einzelne tröstlich sein, sich nach einem Misserfolg zu fragen, was man künftig anders und besser machen könne – anstatt sich Vorwürfe zu machen und im Frust zu versinken. “Aber auf einer gesellschaftlichen Ebene ist es problematisch, wenn selbst im Scheitern ein Gelingensdruck entsteht: Man darf zwar scheitern – aber bitteschön richtig.”

Oft trügen Faktoren zum Scheitern eines Projekts bei, die Einzelne kaum beeinflussen könnten, sagte Weinelt. “Dann ist der Gedanke, daraus lernen zu können, zu vereinfachend – er wird einer komplexen Realität nicht gerecht.” Vor allem im kreativen Umfeld habe sich die Einstellung jedoch nahezu umgekehrt. So lasse sich Tech-Milliardär Elon Musk mit der Aussage zitieren: “If you’re not failing, you’re not innovating enough”, zu deutsch etwa: “Wer nicht scheitert, ist nicht innovativ genug”.

Dabei gebe es durchaus Fälle, in denen Scheitern alles andere als gewinnbringend sei, mahnte die Expertin. Und selbst wenn sich konkrete Fehler erkennen ließen, falle es vielen Menschen schwer, daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Sinnvoll sei insofern, eine größere Toleranz dafür zu entwickeln, dass das Scheitern oder auch das Gelingen von Vorhaben nicht allein in der eigenen Hand liege.