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Wahrheit gibt es nur im Plural

Beim Religionslehrertag der Lippischen Landeskirche in Lemgo ging es um die eigene religiöse Identität und das Zusammenleben mit anderen Religionen

LEMGO – „Interreligiös lernen – Dialog führen – zusammen feiern“ war der Religionslehrertag der Lippischen Landeskirche in der Lemgoer St. Nicolai-Kirche überschrieben. Rund 70 Lehrer aller Schulformen stellten sich der Frage, wie der Dialog mit anderen Religionen gelingen kann. „Voraussetzung für einen Dialog ist die Anerkennung von Pluralität. Es ist eine Erkenntnis unserer Zeit, dass es Wahrheit nur im Plural gibt“, stimmte Schulreferent Andreas Mattke auf das Thema ein.
Schulrätin Ute Bicker vom Kreis Lippe unterstrich die Aktualität des Themas. In allen Schulen in Lippe würden Kinder unterschiedlicher Kulturen und Religionen unterrichtet. Die zunehmende Heterogenität mache interkulturelles und interreligiöses Lernen immer wichtiger. Kirchenrat Tobias Treseler dankte Lehrern und Schulpfarrern im Namen des Landeskirchenrates für ihren kompetenten Einsatz in den Schulen. Der Dialog mit anderen Religionen sei zunehmend wichtig. Er kläre auch den eigenen christlichen Standpunkt.
Michael Landgraf, Leiter des Religionspädagogischen Zentrums der Evangelischen Kirche der Pfalz, zeichnete in seinem Vortrag Wege des Dialoges auf. Interreligiöse Fragen erforschten die Vielfalt religiöser Angebote. „Welche Feste gestalten das Jahr, welche Heiligen Schriften gibt es und wie sehen verschiedene Gotteshäuser aus?“ Landgraf führte weiter aus, dass „Exklusivismus“ alles Fremde verneine und nur das Eigene bejahe, „Inklusivismus“ das Fremde als Eigenes vereinnahme und „Nivellierung“ alle Unterschiede wegrede. Interreligiöses Lernen fördere „Identitätslernen“. Der eigene Glauben werde im Kontext anderer Religionen wahrgenommen und entwickelt. „Dialogisches Lernen“ baue die Achtung vor anderen Religionen auf und lerne von ihnen. „Kooperationslernen“ befähige zum gemeinsamen Handeln und Feste feiern.
Die Religionswissenschaftlerin Saida Aderras (Dortmund) beleuchtete das Thema aus islamischer Sicht. Interreligiosität und Pluralität seien nichts Neues. Im Goldenen Zeitalter des Islams (8.-15. Jahrhundert) hätten Muslime, Juden und Christen etwa in Andalusien friedlich zusammengelebt. Dem Islam werde oft Exklusivismus unterstellt. In einigen Koranversen lasse sich jedoch ein inklusives und plurales Verständnis ablesen. Juden, Christen und Muslime würden gleichgestellt (Sure 2,62). Die Vielfalt der Völker und Religionen sei von Gott gewollt, damit sie voneinander lernen (49,13; 5,48). Hintergrundwissen, Empathie und Begegnung seien beim Interreligiösen Lernen wichtig.
Workshops vertieften das Thema: Liedermacher Reinhard Horn und Michael Landgraf erarbeiteten Lieder zum interreligiösen Lernen mit Texten aus Bibel und Koran. Saida Aderras stellte Lehrpläne des islamischen Religionsunterrichts und das Projekt Weltethos vor. Manfred Karsch, Schulreferent des Evangelischen Kirchenkreises Herford, führte in drei Kurzfilme ein. Pfarrerin Beate Brauckhoff, Lehrbeauftragte der Technischen Universität Dortmund, gab Anregungen, wie multireligiöse Schulgottesdienste und Feiern gestaltet werden können. UK