UK 16/2017, Kirchentag (Seite 4: „Barack Obama kommt zum Kirchentag“)
Einen „Scoop" nennt Matthias Drobinski in der Süddeutschen Zeitung die Einladung von Barack Obama zum Kirchentag im Mai. Dort soll er nicht nur mit der Bundeskanzlerin diskutieren, sondern auch auf der Abschlusskundgebung reden. Frau Aus der Au erwartet, dass er Worte sage, „die in diesem Jahr nicht schon tausendmal gesagt und gedruckt“ worden seien.
Wie befremdlich, dass ein Kirchentag zum Reformationsjubiläum eines solchen „Knüllers“ bedarf. Welche bisher noch nicht gesagten Worte könnten wir von Obama nach acht Jahren als Präsident erwarten (oder besser erhoffen)? Er könnte sich tatsächlich zu den von ihm befehligten Drohneneinsätzen selbstkritisch äußern; oder erklären, warum die vielfältigen, verschärften Überwachungsmaßnahmen gegenüber amerikanischen und ausländischen Bürgern und Bürgerinnen angeordnet wurden; oder er könnte zu seiner Vision einer atomwaffenfreien Welt angesichts der globalen Weltlage Stellung nehmen! Fraglich, ob solche Stellungnahmen realistisch sind und von den Verantwortlichen erwartet und gewünscht werden. Stattdessen eröffnen die Verantwortlichen des Kirchentages den deutschen Politikern, insbesondere Frau Merkel, eine Wahlkampfbühne.
Als Christen wünschen wir uns auf dem Kirchentag nicht immer mehr und prominentere Politiker und Politikerinnen, die sich auf den Podien als Christen äußern und danach unbeeindruckt als Realpolitiker handeln. Nach unserer Meinung wäre es eher ein Scoop, wenn kirchliche Prominenz und christliche Intellektuelle Worte wagen würden, die nicht schon tausendmal gesagt und gedruckt wurden. Worte, die gerade im Reformationsjubiläum sich am Beispiel Luthers der Widersprüchlichkeit menschlichen Handelns und den Schwierigkeiten friedvollen Miteinanders widmen könnten.
Silvia Mai und Werner Glenewinkel, Werther