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Wagner-Foltergefängnisse in Mali: “Inhaftiert werden kann jeder”

Es sind erschreckende Erkenntnisse, die das investigative Journalistenkollektiv Forbidden Stories, dessen Mission es ist, die Arbeit von Reportern fortzusetzen, die getötet, inhaftiert oder bedroht wurden, zusammengetragen hat: weggesperrt in brütend heißen Metallcontainern, Waterboarding, Dauerbeschallung mit Musik. In Mali hat die russische Söldnertruppe Wagner demnach an mindestens sechs ehemaligen UN-Stützpunkten und malischen Militärbasen 2022 bis 2024 geheime Foltergefängnisse errichtet.

Der französische Journalist Guillaume Vénétitay war federführend an der Recherche beteiligt. Er glaubt nicht, dass sich nach dem jüngsten Wagner-Abzug und der Übernahme der malisch-russischen Militärkooperation durch das staatliche Afrika-Korps etwas an den Methoden ändert.

epd: Ihren Recherchen zufolge hat die russische Söldnertruppe Wagner in Mali mehrere geheime Gefängnisse unterhalten. Was genau ist dort passiert?

Guillaume Vénétitay: Menschen wurden während Patrouillen teils wahllos, teils gezielt entführt, dann verhört und in vielen Fällen gefoltert. Es wurde kein Unterschied gemacht zwischen Zivilisten und Kämpfern. Ihre Familien wussten nichts und die Gefangenen hatten keinen Zugang zu einem Anwalt. Das ist illegal. Das Ziel ist, Terror zu verbreiten, um die Bevölkerung in den Griff zu bekommen. Interessant ist, dass laut den Ex-Häftlingen Wagner in den Lagern seine eigenen Bereiche unterhalten hat, die vom malischen Militär nicht betreten wurden.

epd: Mit welchem Grund wurden die Menschen verhaftet?

Vénétitay: Inhaftiert werden kann bis heute jeder, der in Verdacht steht, mit Islamisten zu kooperieren. Aber alle, die wir interviewt haben, waren Zivilisten. Die russischen Bewaffneten und die malische Armee scheinen alle Zivilisten, die in den von Dschihadisten besetzten Gebieten leben, automatisch für Terroristen zu halten. Die einzige Option, nicht unter Generalverdacht zu landen, ist, mit dem malischen Militär und seinen russischen Verbündeten zusammenzuarbeiten, zum Beispiel als Informant. Das flößt der Bevölkerung Angst ein, denn die Geschichten über Folter und Entführungen verbreiten sich natürlich.

epd: In einem Video hat Wagner jüngst offiziell seinen Rückzug aus Mali verkündet. Stattdessen übernimmt das Afrika-Korps. Was bedeutet das?

Vénétitay: Wagner war eine privat geführte paramilitärische Söldnergruppe, die offiziell nie zum Kreml gehört hat. Das war natürlich nicht richtig, aber bisher das Narrativ. Das Afrika-Korps dagegen ist eine Truppe, die offiziell unter dem Banner des Verteidigungsministeriums läuft. Die Zusammenarbeit ist damit formalisiert worden – vermutlich auch, um nach dem Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin eine bessere Kontrolle über die Aktivitäten in Mali zu bekommen. Was genau das alles bedeutet und wie die Sicherheitspartnerschaft zukünftig aussehen wird, wird sich noch zeigen müssen.

epd: Wie ist die Recherche entstanden?

Vénétitay: Die ukrainische Journalistin Wiktorija Roschtschyna starb in russischer Gefangenschaft, weil sie über die illegale Inhaftierung von Zivilisten in den besetzten Gebieten der Ukraine recherchiert hat. Gemeinsam mit der französischen Zeitung „Le Monde“, dem TV-Sender France 24 und dem russischen Investigativ-Portal „iStories“ führen wir die Arbeit weiter und sind darauf gestoßen, dass sich das Muster aus der Ukraine in Mali wiederholt. Es war aber nicht einfach, an die Informationen zu kommen. Vor allem die, die vor Wagner und dem malischen Militär geflohen sind, fürchten natürlich um ihr Leben. Deshalb konnten wir nur mit Malierinnen und Maliern sprechen, die nach Mauretanien geflohen waren.