Ob Waldorfpädagogik oder Waldkindergarten – über die Erziehung der Kleinsten lässt sich streiten. Doch in ihren Grundlagen gehen die pädagogischen Konzepte auf die Ideen eines einzigen Mannes zurück: Friedrich Fröbel. Vor 175 Jahren, am 28. Juni 1840, eröffnete der Pestalozzi-Schüler im thüringischen Bad Blankenburg den ersten „Allgemeinen deutschen Kindergarten“. Was im Jahr 1840 als eine Revolution in der Kindererziehung begann, ist heute aus dem Familienleben nicht mehr wegzudenken.
Den Erwachsenen nicht untergeordnet
„Friedrich Fröbel erkannte Kinder als sich entwickelnde Menschen an. Für ihn waren sie wie wachsende Samenkörner", erklärt Margitta Rockstein. In Blankenburg, wo sich ehemals der erste Kindergarten befand, leitet die Pädagogin heute ein Museum, das an Friedrich Fröbel erinnert. „Die Kleinsten waren in seinem Verständnis den Erwachsenen nicht untergeordnet", sagt Rockstein. Darin liege der entscheidende Unterschied zur zeitgenössischen Kindererziehung, der dem Pädagogen den Ruf eines Revolutionärs einbrachte.
Bevor der evangelische Pfarrerssohn Fröbel im fortgeschrittenen Alter von 55 Jahren seine pädagogischen Ideen umsetzte, herrschte eine strikte Trennung von Bildung und Erziehung kleiner Kinder. Die im frühen 19. Jahrhundert aufkommende Industrialisierung veränderte das familiäre Umfeld: Immer öfter gingen auch Frauen arbeiten. Wer noch zu jung zum Arbeiten war, wurde in sogenannten Warteschulen oder Bewahranstalten untergebracht. „Dort wurden die Kleinen auf praktische Aufgaben des späteren Lebens vorbereitet“, erklärt Rockstein.
Der Autor Manfred Berger beschreibt die Einrichtungen in seinem Buch „150 Jahre Kindergarten. Ein Brief an Friedrich Fröbel“: „Man hat die Kinder eingesperrt. Oder man hat den Kindern so etwas gegeben wie einen Lappen aus Leinen mit Brotstücken, die mit Alkohol getränkt waren, damit die Kinder leicht benebelt waren, damit sie nichts anstellen konnten.“
Der 1782 geborene Thüringer Pädagoge Fröbel hatte andere Ideen. „Er wollte die Kinder anregen, sich zu entwickeln“, so Rockstein. Sein Ansatz war von der Arbeit des Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi beeinflusst, bei dem Fröbel lernte und arbeitete. Schon vor der Gründung seines Kindergartens hielt Fröbel in Dresden Vorträge über seine Erziehungsmethoden.
Diese setzte er in seinem „Allgemeinen deutschen Kindergarten“ gemeinsam mit dem Lehrer Wilhelm Middendorf um. Der Begriff des Gartens war dabei nicht zufällig gewählt. „Jedes Kind hatte ein eigenes Beet mit Pflanzen auf dem Gelände“, erklärt die Museumsleiterin aus Bad Blankenburg. Das gehe aus alten Berichten von Erzieherinnen hervor. Die Natur sei das zentrale Motiv in Fröbels Pädagogik gewesen. „Er erkannte Gott in der Natur wieder.“ Das Handeln des Menschen in der Natur, glaubte der Kindergartengründer, sei dabei das Entscheidende, in dem sich das Potenzial eines Menschen entwickeln könne, um Gott nah zu sein.
Auch dem Spiel maß Fröbel als erster eine besondere Bedeutung für Kinder bei. Dafür entwickelte er seine sogenannten Gaben: Spielzeuge in verschiedenen Formen. Durch das Spiel mit den Figuren könnte sich das Kind seine Umwelt erschließen, war sich Fröbel sicher. Auch heute noch lieben Kinder weltweit ihre Bauklötze und Legosteine. „Das sind die modernen Nachfolger der Spielgaben“, weiß Rockstein. Auch Fröbels Kreis- und Bewegungsspiele sowie Liedzeilen wie „Häschen in der Grube saß und schlief“ haben heute noch ihren Platz in Kinderzimmern.
Fröbels Ideen in die Welt hinausgetragen
Doch auch die Erfolgsgeschichte des Kindergartens hatte dunkle Stunden. Im Jahr 1851 wurde Fröbels Kindergarten von der Preußischen Regierung wegen atheistischer Tendenzen verboten. Die Aufhebung des Verbots im Jahr 1860 erlebte der Pädagoge nicht mehr. Er starb 1852.
Seine Erziehungsmethoden aber lebten weiter. Viele von Fröbel ausgebildeten Erzieherinnen zogen ins Ausland und machten seine Bildungseinrichtung zu einem internationalen Hit. 1856 öffnete in den USA der erste Kindergarten seine Pforten. Mit den pädagogischen Ideen wurde oft auch der Name übernommen. So heißt die Einrichtung für kleine Kinder auch im englischen Sprachraum oder den Niederlanden „Kindergarten“. KNA
☐ Manfred Berger: Der Kindergarten von 1840 bis in die Gegenwart. Ein (fiktiver) Brief an Friedrich Fröbel zur 175-jährigen Geburtstagsfeier seiner vorschulischen Einrichtung. Akademikerverlag, 216 Seiten, 45,90 Euro.