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W.-G.-Sebald-Literaturpreis an Lena Schätte

Der aus dem Allgäu stammende Literat W.G. Sebald galt als streitbarer Geist, der sich auch mit den Nachkriegsliteraten der Gruppe 47 anlegte. Seit 2019 ist eine Auszeichnung nach ihm benannt.

Die Deutsche Sebald-Gesellschaft verleiht zum dritten Mal den W.-G.-Sebald-Literaturpreis. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung geht an die Schriftstellerin Lena Schätte (Jahrgang 1993), wie die Gesellschaft in Kempten bekanntgab. Als Siegertext wurde der Titel “Schnapstage” gekürt.

Laut Jury entwirft die Autorin darin “so sachlich wie zärtlich auf wenigen Seiten das Beziehungsgeflecht einer Familie im Schatten der Alkoholsucht, die sich in jeder Generation auf unterschiedliche Weise Bahn bricht”. In der präzisen Beschreibung der Komplexität von Suchtverhalten und den Reaktionen darauf verschränkten sich gesellschaftliche und emotionale Dimensionen, eindeutige Täter- und Opferzuschreibungen lösten sich auf. “Die Wucht des sich behutsam entfaltenden Texts trifft unmittelbar.”

Die aus Lüdenscheid stammende Autorin debütierte 2014 mit dem Roman “Ruhrpottliebe”. In den Folgejahren arbeitete sie als Psychiatriekrankenschwester im Ruhrgebiet, bis sie 2020 ein Studium des Literarischen Schreibens am Deutschen Literaturinstitut Leipzig aufnahm. Der Preis wird am 27. Juni in Sonthofen verliehen. Die Laudatio wird der österreichische Literaturwissenschaftler Helmut Neundlinger halten. Im Rahmen der Ehrung werde die Autorin auch ihr im Frühjahr erschienenes Buch “Das Schwarz an den Händen meines Vaters” vorstellen, in das der Siegertext eingeflossen sei.

Der Jury gehörten Hans Jürgen Balmes (S. Fischer Verlag), Heike Gfrereis (Deutsches Literaturarchiv Marbach), Sebastian Guggolz (Guggolz Verlag), Helmut Neundlinger (Archiv der Zeitgenossen Krems) und Friederike Reents (Katholische Universität Eichstätt) an.

Der 2019 ins Leben gerufene Preis ist nach dem Literaten W.G. Sebald (1944-2001) benannt und fordert Autoren dazu auf, sich in ihrer Arbeit mit Fragen und Motiven auseinanderzusetzen, die für dessen Schaffen wichtig waren. Der gebürtige Allgäuer wanderte 1966 nach England aus. Dort lehrte er ab 1970 als Literaturwissenschaftler an der University of East Anglia in Norwich. Seine Doktorarbeit schrieb er über Alfred Döblin, seine Habilitation über die österreichische Literatur von Stifter bis Handke. Ab Ende der 1980er Jahre veröffentlichte Sebald sein literarisches Werk, für das er in Großbritannien und in den USA Aufmerksamkeit auf sich zog.

Die Erzählsammlung “Die Ausgewanderten” (1992), für die sich Susan Sontag begeisterte, “Die Ringe des Saturn” (1995) und schließlich “Austerlitz” (2001), mehrfach preisgekrönt, machten ihren Autor zu einem international beachteten und diskutierten Schriftsteller. Mit Verzögerung bildete sich dies auch in den deutschen Literaturdebatten ab, wo Sebald nicht zuletzt durch seine streitbaren Beiträge zur Nachkriegsliteratur und durch seine Zürcher Poetikvorlesungen von 1997 von sich reden machte. Mit nur 57 Jahren starb Sebald am 14. Dezember 2001 in seiner englischen Wahlheimat.