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Vorhang auf für den Zirkus “Play Dead”!

Die junge kanadische Zirkustruppe People Watching eröffnet mit ihrer Show „Play Dead“ die Spielzeit 2025 im Berliner Chamäleon. Unser Autor hat sich den Zirkus der anderen Art angesehen.

Schon bei ihrem Premierenprogramm "Play Dead" wirkt die junge kanadische Truppe sehr eingespielt
Schon bei ihrem Premierenprogramm "Play Dead" wirkt die junge kanadische Truppe sehr eingespieltAnna Fabrega

Seit seiner Gründung im Corona-Jahr 2020 hat sich das kanadische Ensemble Play Watching vorgenommen, den zeitgenössischen Zirkus für sich neu zu interpretieren und seine eigene Zirkussprache zu finden. Und so sucht man in ihrem Debüt-Programm „Play Dead“ die üblichen Zirkusabläufe vergebens. Statt einer Nummer, die auf die nächste folgt, werden hier die unterschiedlichen artistischen Talente mit modernem Tanz und Schauspiel zu einer durchgehenden, surrealen und unwirklichen Gesamtgeschichte verwoben. Man fühlt sich versetzt in eine Szenereie, die an das Treffen von sehr unterschiedlichen, skurrillen Persönlicheiten in einem englischen Adelsschloss erinnert. Das minimalistische Bühnenbild mit altem Eichentisch, Kleiderschrank und großer, hölzerner Bar tut das seinige zu dieser Assoziation.

Wie ein alter schwarz-weißer Hollywood-Film wirkt das Ganze, garniert mit einem großen Schuss Grusel: Eine Art artistisches Tourette-Syndrom! Poetisch, wild, ungestüm auf der einen, melancholisch oder wie ein drohender Abschied auf der anderen Seite, der mit einem letzten, verrückten Tanz auf dem Vulkan noch hinausgezögert werden soll.

“Play Dead”: Artistische Verspieltheit im Horrorambiente

Der Titel „Play Dead“ (Englisch für „sich tot stellen“) beschreibt ganz gut, wie hier Verspieltheit (Play), dem Unheimlichen und noch Unbekannten (Dead) gegenüber gestellt werden. Wer jetzt meint, dadurch auf spektakuläre Zirkusdarstellungen verzichten zu müssen, der irrt gewaltig: Da wird gesprungen, zu Boden geglitten, in die Luft gehoben, auf Flaschenhälsen balanciert, sich wie Houdini von der Decke hängend aus Verschnürungen befreit, menschliche Pyramiden gebaut, Sessel, Stühle und eine Couch jongliert, oder es drehen sich Teller auf zum Zittern gebrachten Stäben. Die Akrobatik mit dem Vertikaltuch wird neu interpretiert, vom Tuch weg – hin zur Artistik auf und in einem Kleiderschrank, überhaupt wird Vieles verwandelt, umgedacht und anders gezeigt.

Akrobatik war Trumpf bei "Play Dead"
Akrobatik war Trumpf bei "Play Dead"Anna Fabrega

Der jungen kanadischen Company „People Watching“ aus acht Darstellenden mag man es kaum abnehmen, dass „Play Dead“ tatsächlich erst ihr Debütprogramm ist, so eingespielt und aus einem Guss wirkt der Abend. Das liegt sicherlich auch daran, dass das Team sein Stück als Gemeinschaftswerk begriffen und erschaffen hat. Jede und jeder ist für alles verantwortlich, es gibt nicht die eine künstlerische Leitung. Alles wurde gemeinsam erarbeitet, jede und jeder übernimmt einmal jede Tätigkeit und stellt zum einen das eigene Ego hintenan und sein oder ihr Talent dem Team zur Verfügung. Dadurch wirkt „Play dead“ wie ein Stück Leinen aus ein und demselben Webstuhl, auch wenn es aus vielen unterschiedlichen Fäden besteht.

Staunen, Begeisterung und stehende Ovationen

Nicht nur die Jury beim Festival Quartiers Danses in Montréal überzeugte die Company mit dieser neuen Art, ein Stück voranzutreiben (dort wurde es mit dem Coup de Coeur Award ausgezeichnet), auch das Premierenpublikum im Chamäleon war beides: von den Socken und aus dem Häuschen und goutierte „Play Dead“ mit minutenlangem Beifall und Standing Ovations.

“Play Dead” ist noch bis zum 1.Juni 2025 zu sehen im Chamäleon Berlin, Rosenthaler Str. 40/41 (in den Hackeschen Höfen). Tickets für “Play Dead” gibt es auf der Homepage des Chamäleon Berlin oder unter 030/4000590.