Artikel teilen:

Vom Garten direkt auf die Tafel

Steile Stufen führen den Hang hinauf. Der Blick schweift über terrassierte Beete. Links und rechts des schmalen Weges weisen kleine Plastikschilder darauf hin, was in jeder Reihe angebaut wird: Schnittlauch, Salate, Zwiebeln und sogar Wassermelonen wachsen hier, alles in unterschiedlichen Reifegraden. An diesem Freitagmorgen packen acht Männer und Frauen die Früchte in große, grüne Boxen. Im Tafelgarten des Johannes-Falk-Projekts im Westen von Arnstadt hat die Erntezeit begonnen.

Namenspate für das Projekt des Arnstädter Marienstifts ist mit Johannes Falk (1768-1826) der in Weimar geborene Schriftsteller und Begründer der christlich geprägten Jugendsozialarbeit. In dieser Tradition wird in Arnstadt straffällig gewordenen Erwachsenen, jungen Erwachsenen und Jugendlichen seit 2001 die Möglichkeit geboten, unter fachlicher Anleitung und sozialpädagogischer Begleitung gemeinnützige Arbeit zur Erfüllung von gerichtlichen Auflagen abzuleisten.

Derzeit seien auf der 2.000 Quadratmeter kleinen landwirtschaftlichen Fläche des Arnstädter Marienstifts 32 Mitarbeiter beschäftigt, sagt Caroline Grasser. Einige vermittele das Jobcenter als Arbeitsgelegenheit, andere kämen über die Straffälligenhilfe. Die gelernte Krankenschwester führt das soziale Projekt seit einem Jahr.

Zusätzlich zu der Straffälligenhilfe wurden in den vergangenen Jahren durch die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Jobcenter Arbeitsgelegenheiten für Menschen geschaffen, die in der Regel nicht mehr ohne Weiteres auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Im Tafelgarten hacken, jäten und gießen Mitarbeitende mit gesundheitlichen Problemen oder solche, die nach Jahren der Arbeitslosigkeit erst wieder an geregelte Tagesabläufe herangeführt werden müssen. Manchmal kommen auch junge Menschen, die noch nicht wissen, was sie in ihrem Leben machen wollen. „Nicht alle schaffen dies“, sagt Daniela Klose, Sprecherin des Marienstifts Arnstadt: „Aber doch ein guter Teil von ihnen.“

Francesco zieht Salate aus dem auch in dieser Saison wieder viel zu trockenen Boden. Zwischen sechs und acht Köpfe platziert er jeweils in eine Kiste. „Wir haben daheim auch einen Garten“, sagt er. Francescos Vermittlerin im Jobcenter hatte ihn erstmals 2018 auf das Johannes-Falk-Projekt aufmerksam gemacht. Solange er gesundheitlich noch keine acht Stunden Tage in einem Betrieb durchhalte, seien die Beschäftigungen hier eine gute Möglichkeit, die Zeit sinnvoll zu überbrücken, sagt der junge Mann: „Mein Ziel ist ganz klar, irgendwann wieder eine richtige Arbeit zu finden.“

Arbeit von Menschen, die Hilfe benötigen, für Bedürftige, die sich keinen vollen Kühlschrank leisten können. Das klinge problembehaftet, sei es aber keineswegs, sagt Grasser: „Wir haben hier immer sehr sympathische Leute.“ Es werde angepackt und gelacht, im buchstäblichen Sinne geackert und immer wieder auch gescherzt.

Es gibt lange Wartelisten für die Beschäftigungsmöglichkeiten von jeweils sechs Monaten. Die gemeinnützige Arbeit an der frischen Luft und mit sinnstiftendem Inhalt ist beliebt. Denn die Versorgung mit Frischgemüse aus dem Projekt füllt eine wichtige Lücke im Angebot der Arnstädter Tafel. „Obst- und Gemüsespenden gibt es natürlich auch aus den Supermärkten der Region“, sagt Grasser. Aber oft mangele es an der Frische. Die Gurken, Tomaten oder Möhren aus dem Tafelgarten seien dagegen stets erntefrisch, ungedüngt und Bio: „Man könnte es direkt so aus der Erde essen.“

346 Kisten Obst und Gemüse hat die Mannschaft im vergangenen Jahr an die Arnstädter Tafel geliefert. Auf ein ähnlich gutes Ergebnis hoffen alle auch für diese Saison. Und erstmals in diesem Frühjahr wird das Projekt auch in die Eierproduktion einsteigen. Bislang haben fünf Hühner in einem kleinen Gehege Einzug gehalten. Futter gibt es genug. „Am besten wächst hier doch das Unkraut“, lacht Grasser.