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Voll Vertrauen

Über den Predigttext am 15. Sonntag nach Trinitatis: Matthäus 6, 25-34

Predigttext 15. Sonntag nach Trinitatis: Matthäus 6, 25-34
25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? 26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? (…) 33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

Von „Fleiß statt Lebensfreude“ lese ich beim Frühstück in meiner Tageszeitung. Ein bekannter Zukunftsforscher hat wieder einmal die Deutschen gefragt, was ihnen im Leben wichtig ist. Und siehe da: Je komplexer unsere Welt wird, umso mehr schätzen wir offenbar Sicherheit, Beständigkeit und Verlässlichkeit. Ein Wertewandel, so steht da: In den 80er Jahren lagen noch Selbstvertrauen, Ehrlichkeit und Selbstständigkeit vorn. Ich fühle mich ertappt.

Omas Erziehung schlägt durch

Je älter ich werde, desto mehr konservative, bewahrende Anteile entdecke ich an mir. Meine Sorge, Filtertüten und Mineralwasser könnten im Haushalt fehlen, sind im Freundeskreis oft  Anlass  für liebevollen Spott. Da schlägt eben Omas Erziehung durch: Fernab vom nächsten Supermarkt, wurde in meiner Familie immer schon „gehortet“: Es gab einen Vorratsraum mit Paletten voll Mehl, Zucker und haltbarer Milch. Kartoffeln wurden zentnerweise gekauft und eingelagert. Auch ich wusste, wie man Lebensmittel haltbar macht, lange bevor ich die erste Fremdsprache erlernte. Ich bin ein Eichhörnchen.
Dass Matthäus Jesu eindeutige Meinung zum „Schätzesammeln und Sorgen“ so prominent in der Bergpredigt platziert, nehme ich darum ein bisschen persönlich. Vergeltung, Gesetze einhalten, Feindesliebe – ja sicher, das sind Themen, die da zu Recht kritisch betrachtet werden. Aber was ist denn bitte schön schlimm daran, wenn ich meinem Leben Sicherheit geben möchte? Wir können doch nicht alle in den Tag hineinleben…
Die Menschen, die Jesus zuhörten, mögen ähnlich reagiert haben. Wer die Ernte nicht haltbar macht, muss im Winter hungern, oder nicht? Wenn ich mich auf eine Wanderung begebe, packe ich Proviant ein. Jesus, der Wanderprediger, reist dagegen mit leichtem Gepäck. Weder hat er einen Koffer voll Kleidung noch eine EC-Karte dabei. Es ist auch nicht überliefert, dass er sich Butterbrote für unterwegs schmiert. Stattdessen vertraut er darauf, dass die Menschen, denen er begegnet, ihm nicht nur zuhören, sondern ihn auch zum Essen einladen.
Wir legen unser Geld an, gehen zur Vorsorge und schließen Versicherungen ab. Und dann kommt uns das Leben dazwischen. Ein Börsencrash, eine schlimme Diagnose, die Insolvenz der Firma – und wir können nichts dagegen tun, dass unsere Pläne zerbröseln. „Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?…“ heißt es bei Matthäus. Ja, das stimmt: Das Leben ist ein Rest-Risiko.
In diesen Tagen kommen viele Menschen zu uns, deren Leben komplett aus den Fugen geraten ist. In Syrien, da, wo vermutlich auch Matthäus gelebt hat, vernichtet ein unbarmherziger Bürgerkrieg gerade alles, was sie sich aufgebaut hatten. In einer Flüchtlingsunterkunft treffe ich eine Familie, die alles zurücklassen musste: Das Haus, Möbel, Hausrat, Bücher, Familienalben, Kleidung, Spielzeug. Natürlich auch Nachbarn, Freunde, Verwandte. Zu Fuß, die zwei Kinder und jeweils eine Tasche an der Hand, wanderten sie monatelang durch die Türkei und sind nun hier, in Deutschland. Sie sehen erschöpft aus, müde. Aber nicht mutlos. „We are safe – wir sind in Sicherheit“, so sagen sie mir – und strahlen dabei eine solche Zuversicht aus, dass ich fast beschämt daran denke, was ich so alles für mein Leben „brauche“.

Das Morgen liegt in Gottes Hand

Ich glaube nicht, dass es „gottlos“ ist, Pläne zu schmieden. Ich darf mich ganz sicher an dem freuen, was ich habe. „Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft“. Gott hat uns Hände, Hirn und Herz gegeben, um das Heute zu gestalten. Doch das Leben lässt sich nicht konservieren – und die Zukunft liegt nicht in unserer Hand. Ich vertraue darauf: Morgen werde ich mit dem auskommen, was ich dann habe. „Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ Was für eine Erleichterung, was für ein Geschenk: Das Morgen dürfen wir beruhigt in Seine Hände geben – er wird uns geben, was wir dann brauchen.