Du sollst dir kein Bildnis machen, heißt es im Alten Testament. Das Volk Israel hebt sich damit von den Religionen seiner Umwelt ab: Sein Gott lässt sich nicht festlegen auf eine Statue oder ein geschnitztes Bild.
Auch das Christentum hat in den ersten Jahrhunderten an diesem Bilderverbot festgehalten, bis sich schließlich die Erkenntnis durchsetzte, dass es möglich ist, Gott im Bild darzustellen – wenn man sich darüber im klaren ist, dass kein Bild der Welt Gott in Gänze erfasst. Abbildungen sind immer nur Annährungen an eigentlich Unsagbares, Unvorstellbares – aber als solche können sie hilfreich sein, um eine Ahnung davon zu bekommen, wer Gott ist. Die Angst, Gott durch Bilder klein zu machen und in seiner Heiligkeit zu verletzen, hat das Christentum hintangestellt – anders als das Judentum oder der Islam.
Ein Bild kann zu Zerrbild werden
Diese Angst ist ja nicht unbegründet. Wer Bilder von Gott zulässt, begibt sich in die Gefahr, dass sie zu Zerrbildern werden. Das passiert auch, wenn sie gar nicht so gemeint sind.
Wenn etwa Gott im Laufe der Kunstgeschichte immer wieder als alter Mann mit Bart auftaucht oder Jesus ganz überwiegend als der Gekreuzigte, haben schließlich Christen und Nichtchristen genau diese Vorstellungen im Kopf. Sie schränkt die Fülle der biblischen Bilder erheblich ein. Wer darüber hinaus die unendlich vielen Schattierungen Gottes wahrnehmen will, muss sich schon gezielt auf die Suche machen – und sich vielleicht auch verunsichern lassen von Darstellungen, die ihm zunächst unpassend oder gar abstoßend erscheinen.
Und an dieser Stelle kommen die religionskritischen Karikaturen ins Spiel, über die jetzt nach dem Anschlag auf das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ diskutiert wird. „Ich bin nicht Charlie“, verkünden nicht wenige Christen und distanzieren
Ein Funken Wahrheit in der beißenden Satire
sich damit von der beißenden und oft auch geschmacklosen Häme, mit der das Magazin alle Religionen aufs Korn nimmt. Aber wer sagt denn, dass nicht auch in diesen bösen Zeichnungen ein Funken Wahrheit steckt?
Vielleicht lässt die Karikatur eines Jesus, der mit einem lockeren Spruch vom Kreuz steigt, einen neuen Blick zu? Oder das Bild eines Gottes, der ratlos vor der aus den Fugen geratenen Welt steht und an seiner eigenen Existenz zweifelt? Und die satirische Kritik an Missständen in den religiösen Institutionen ist deshalb so irritierend, weil etwas Wahres dran ist.
Zugegeben: Über obszöne Bilder von Priestern oder sexualisierte Sprache aus dem Mund Gottes kann und mag nicht jeder lachen. Manche aber schon. Lachen befreit, distanziert, öffnet neue Zugänge. Niemand muss sich religiöse Karikaturen anschauen. Aber geben muss es sie – um der Freiheit willen. Gott wird dadurch nicht verletzt. Vielleicht lacht er sogar mit.