Ein bisschen angespannt sind sie schon vor ihrem eintägigen Rollentausch, der Regionalbischof und die Diakonie-Chefin: Am Donnerstag (10. April) übernehmen Thomas Prieto Peral und Andrea Betz Schreibtisch, Terminkalender und Social-Media-Account des jeweils anderen. Statt des Theologen wird die Sozialexpertin am Nachmittag zum Beispiel an einer Sitzung der katholischen Ökumene-Kommission teilnehmen; dafür vertritt der Oberkirchenrat am Vormittag die Diakonie im Sozialausschuss der Stadt München. Das Ziel: mehr voneinander erfahren, sich besser kennenlernen und künftig noch stärker zusammenarbeiten. Bei der vor einer Woche beendeten Frühjahrstagung der bayerischen Landessynode war genau das ein Schwerpunktthema.
„Wir wollen unsere Arbeit einen Tag lang aus den gegenüberliegenden Perspektiven wahrnehmen“, sagt Thomas Prieto Peral. Als „Tag in den Schuhen des anderen“, den es in dieser Form noch nicht gegeben habe, bezeichnet Andrea Betz den Rollentausch. Die beiden Spitzenkräfte nehmen es mit der gegenseitigen Vertretung ernst: Statt schöner Schau-Termine stehen zwischen 8 und 16 Uhr auch Konferenzen und Meetings auf dem Plan, die sowieso dran wären. „Zur Ökumene-Kommission müsste ich eigentlich selbst hin“, sagt der Regionalbischof – zuständig für den Süden im Kirchenkreis Schwaben-Altbayern mit seinen 459 Gemeinden – mit leichter Unruhe in der Stimme. Es stehen Entscheidungen an, man wolle weiterkommen. Ob er keine Sorge hat, dass die Diakonie-Chefin zu forsch ans manchmal heikle Thema rangeht? „Die Diakonie hat eine andere, schnellere Entscheidungskultur, die kann da auch mal helfen“, sagt Prieto Peral, und dass er so eine positive „Störung“ gar nicht schlecht fände.
Andersherum ist Andrea Betz – Vorstandssprecherin der Diakonie München und Oberbayern mit ihren 5000 Mitarbeitenden – gespannt, wie sich der Theologe im Sozialausschuss der Landeshauptstadt schlägt. Sie erwarte, dass er „sich mit dem Wissen, das er hat, verantwortlich für die Diakonie einbringt“. Wegducken geht nicht: Bei dem Termin sollen sich die Verbände äußern, „da muss er vor, sonst spricht niemand für die Diakonie“, sagt sie. Schon jetzt ist das der vielleicht größte Gewinn des Experiments: das Vertrauen, das jeder dem anderen schenkt – auch wenn der Ausgang ungewiss ist.
Für Prieto Peral steht an seinem Tag als „Diakonie-Chef“ noch ein Besuch im Münchner Hotel Regent an, in dem die Diakonie geflüchtete Menschen aus der Ukraine betreut, eine interne Strategiesitzung sowie eine Besprechung mit dem Leiter der Kinder- und Jugendhilfe. Betz wiederum tagt als „Regionalbischöfin“ mit dem Beirat der „Evangelischen Stiftung Hospiz“ und bekommt ein Update zum Thema Nachwuchsgewinnung für den Pfarrberuf, bevor sie an der digitalen „Hesselberg-Konferenz“ teilnimmt. Für extra Puls sorgt aber schon die morgendliche Hausandacht im Landeskirchenamt, die sie halten soll: „Vor so vielen Theologen und Theologinnen zu sprechen, das wird spannend“, sagt Betz.
Sie wünscht sich, dass die Aktion Nachahmer in anderen Regionen erfährt. „Kirche und Diakonie haben eine gemeinsame Wurzel, die uns nährt – das müssen wir pflegen!“, findet die Vorständin. Der Regionalbischof freut sich über den „Kulturwandel“, der bereits stattfinde: „Die Bereitschaft zum Brückenschlag ist heute viel größer.“ Wer dabei zuschauen will, wie sich die beiden Spitzenkräfte beim Rollentausch schlagen: Auch die Instagram-Accounts samt Stories vom Tag gehören zum Tauschgeschäft dazu. (1203/08.04.2025)