Der Historiker Nicholas Williams hat sich gegen eine mögliche Umbenennung der Hans-Stempel-Straße in Landau durch einen Bürgerentscheid am 23. Februar ausgesprochen. Es wäre eine „einfache Entsorgung der Vergangenheit“, die nach dem früheren pfälzischen Kirchenpräsidenten Hans Stempel (1894-1970) benannte Straße umbenennen zu wollen, sagte der Leiter des Zentrums für ostbelgische Geschichte in Eupen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Stempel war in die Kritik geraten, weil er nach 1945 inhaftierte NS-Straftäter betreut und sich für sie politisch eingesetzt hatte. Er stand von 1948 bis 1964 als Präsident an der Spitze der Pfälzer Kirche.
Einer einfachen Straßenumbenennung hafte „etwas Selbstgerechtes“ an, kritisierte Williams. Vielmehr sei eine Auseinandersetzung mit dem umstrittenen evangelischen Theologen nötig. Williams hatte für ein Forschungsprojekt im Auftrag der Pfälzer Kirche Stempels Eintreten für NS-Verbrecher aufgearbeitet, die in Frankreich, Belgien, Italien und Luxemburg inhaftiert waren. Stempel sei zwar „kein Nazi“ gewesen. Dennoch bleibe es unverständlich, warum dieser in den Nachkriegsjahren versucht habe, die Täter von ihrer Schuld zu entlasten.
In Landau sollen nun die Bürgerinnen und Bürger am Tag der Bundestagswahl nach einem Beschluss des Stadtrates auch über die Umbenennung von drei Straßen wegen ihrer umstrittenen Namensgeber abstimmen: Neben der Hans-Stempel-Straße geht es auch um eine Straße, die nach Paul von Hindenburg (1847-1934), dem früheren Reichspräsidenten und deutschen Oberbefehlshaber im Ersten Weltkrieg, benannt wurde. Eine nach dem nationalsozialistischen Arzt und Paläontologen Ludwig Kohl-Larsen (1884 -1969) benannte Straße soll ebenfalls einen neuen Namen erhalten.
Sinnvoll wäre es gewesen, über Stempel, Hindenburg und Kohl-Larsen jeweils eine sachlich differenzierte Debatte zu führen, „in der auch Raum für Grautöne und Ambivalenzen bleibt“, sagte Williams. Stattdessen werde in einer einfachen „Ja/Nein-Entscheidung” über alle drei abgestimmt. Es gebe “sehr gute Gründe, Hindenburg als Namenspaten für eine Straße nicht länger zu akzeptieren, Hans Stempel aber nicht fallen zu lassen„. Die parteipolitisch aufgeheizte Debatte in Landau laufe “Gefahr, zu einer identitätspolitischen Frage zu werden„. Damit werde man “weder Hans Stempel noch den Opfern seiner Schützlinge gerecht, und auch nicht den vielen, vielen Kriegstoten, zu deren Tod auch das Wirken Hindenburgs beigetragen hat”, sagte Williams.