Niedersächsische Sicherheitsbehörden haben im Jahr 2024 eine Zunahme von Spionage, Sabotage und Cyberangriffen registriert. Dennoch stelle Rechtsextremismus weiterhin die größte Bedrohung dar, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Donnerstag zur Vorstellung des Landesverfassungsschutzberichtes in Hannover. Die Gefahrenlage sei insgesamt vielschichtig. „Extremisten unterschiedlicher Ausprägung attackieren unser friedliches Miteinander, unsere Gesellschaft und unsere Grundwerte“, sagte die Ministerin.
Besondere Ereignisse und Themen hätten im vergangenen Jahr in hohem Maße polarisiert und sich auf die Entwicklung des Extremismus in Niedersachsen ausgewirkt, erläuterte Behrens. Dazu zählten nach ihren Worten der andauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der erneut eskalierte Nahostkonflikt, die ungewisse Zukunft der Partnerschaft mit den USA sowie Fragen zur Migration und Integration.
Zum Antisemitismus sagte Behrens, seine Bekämpfung stelle weiterhin eine gesellschaftliche Herausforderung dar, „der wir täglich auf unterschiedlichsten Ebenen begegnen müssen“. Der Antisemitismus sei nach wie vor ein zentrales ideologisches Element rechtsextremistischer Weltanschauung. „Allerdings müssen wir aktuell auch beobachten, dass antisemitische Haltungen und Narrative durch den Nahostkonflikt eine erschreckende Verstärkung erfahren.“
Beim Rechtsextremismus verzeichneten die Behörden mit 1.970 Personen ein gestiegenes „Personenpotenzial“ (2023: 1690 Personen). Auch die neonazistische Szene habe einen leichten Anstieg von 220 auf 270 Personen zu verzeichnen. „Die größte Gefahr für unsere Gesellschaft geht weiterhin vom Rechtsextremismus aus“, unterstrich Ministerin Behrens. „Diese Ideologie macht sich die Unsicherheit und Sorgen der Menschen zu eigen, verstärkt damit Zukunftsängste, Ablehnung und Hass. Und hat dabei keine Antworten.“
Die Zahl der Autonomen und sonstigen gewaltbereiten Linksextremisten sowie Anarchisten ist laut Verfassungsschutzbericht von 820 auf 840 gestiegen. Insbesondere Veranstaltungen der Partei und das Eigentum von AfD-Angehörigen seien Ziel linksextremistischer Aktionen gewesen. Durch die Themen Ukraine und Nahost-Konflikt sei zudem Antimilitarismus wieder stärker in den Fokus der Linksextremisten gerückt. Dies drücke sich in ihrer Teilnahme an Protesten vor allem gegen Rüstungsunternehmen aus.
Die Gruppe der Reichsbürger und Selbstverwalter sei um 100 auf 1.180 Personen gewachsen. Die Anzahl der zugleich der rechtsextremistischen Szene zuzuordnenden Personen stagniere bei 40 Personen. Menschen aus dem verfassungsschutzrelevanten Bereich der Querdenkerszene seien in Niedersachsen nicht mehr mit Aktionen in Erscheinung getreten. Der Verfassungsschutz habe daher die Beobachtung dieser sogenannten Delegitimierer beendet.
Dem Salafismus würden in Niedersachsen rund 650 Personen zugerechnet, 50 weniger als im Jahr zuvor. Zum übrigen Islamismus wurden 645 Personen gerechnet, was ebenfalls einen Rückgang bedeutet (2023: 710 Personen). Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril betonte, dass dieser Rückgang jedoch keinen Grund zur Entwarnung biete. „Vom internationalen islamistischen Terrorismus geht weiterhin eine nicht zu unterschätzende hohe Gefahr aus.“ Er gehe zudem davon aus, dass sich in den sozialen Medien eine hohe Dunkelziffer vor allem junger Salafisten bewegt.
Spionage oder Sabotage hätten 2024 Wirtschaftsunternehmen, Behörden, Kommunen sowie Einrichtungen, die der kritischen Infrastruktur zuzuordnen sind, zum Ziel gehabt. Hinzu kämen nahezu täglich nicht genehmigte Drohnenüberflüge auch im Bereich von Objekten der kritischen Infrastruktur oder militärischer Anlagen. Die Behörden vermuteten, dass Russland für viele der Drohnenflüge verantwortlich ist, auch wenn sich das nicht eindeutig zuschreiben lasse.