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Vandalismus in Kirchen – Täter oft alkoholisiert oder psychisch krank

Warnung: Religionssoziologe Pickel rät von Pauschalverdacht ab. Vandalismus resultiere eher aus gesellschaftlicher Wut – nicht aus religiösen Motiven.

Der Leipziger Religionssoziologe Gert Pickel hat davor gewarnt, bei Vandalismusvorfällen in Kirchen muslimische Einwanderer zu verdächtigen. “Da wäre ich sehr vorsichtig”, sagte er dem kirchlichen Portal katholisch.de (Donnerstag). Wenn überhaupt deuteten Polizeistatistiken höchstens vereinzelt in diese Richtung. “Mindestens ebenso häufig sind es alkoholisierte Männergruppen oder psychisch kranke Täter, die für Übergriffe auf Kirchen verantwortlich sind.”

Auch rechte Gruppen könnten als Täter in Frage kommen, ergänzte Pickel, “zum Beispiel, weil sie sich über die klar ablehnende Haltung der Kirchen gegenüber der AfD ärgern und den Kirchen deshalb eins auswischen wollen”. Auch seien oft unzureichend gesicherte und frei zugängliche Gotteshäuser für Diebe ein vergleichsweise “leichter” Ort, um an wertvolle Gegenstände zu kommen. Und zum Vandalismus reiche es manchmal aus, dass eine Jugendclique nach einer Feier zu viel getrunken habe und Lust auf Zerstörung bekomme – dann seien Kirchengebäude eher zufällige Opfer.

Insgesamt stünden hinter Vandalismus an Kirchen sehr unterschiedliche Tätergruppen. Häufig gebe es emotionale Motive: “Unsere Gesellschaft ist insgesamt emotionaler geworden – Wut und Hass spielen heute eine größere Rolle als früher. Das schlägt sich auch hier nieder”, sagte Pickel.

Jedes Jahr werden Kirchen, Friedhöfe und Gebäude wie Pfarrheime Ziel von Einbrüchen und Vandalismus. Wie eine Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) unter allen Landeskriminalämtern im August ergab, lag die Zahl der erfassten Fälle von Diebstählen und Sachbeschädigungen in den vergangenen beiden Jahren bundesweit im mittleren vierstelligen Bereich. Laut Einschätzung der Behörden lassen sich aus den vorgelegten Daten allerdings keine signifikanten Steigerungen ablesen.

Trotzdem hätten tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen dazu geführt, dass die Hemmschwelle zum Vandalismus sinke, erklärt Picken. “Lange Zeit hatten die Kirchen in Deutschland ein hohes Ansehen, das Sakrale wurde respektiert. Viele Menschen hatten das Gefühl, man dürfe Kirchen nicht antasten – vielleicht auch aus Angst vor dem sprichwörtlichen ‘Zorn Gottes’.” Dieser Respekt sei stark gesunken – auch aufgrund der Missbrauchskrise. So hätten die Kirchen durch die Missbrauchsfälle “enorm an moralischer Autorität eingebüßt”, sagt der Wissenschaftler. “Früher galten sie vielen als moralisch überlegen. Heute heißt es eher: ‘Die sind schlimmer als alle anderen.'” Was früher ein sakraler Ort war, sei durch den Missbrauch gewissermaßen delegitimiert worden. “Das kann dazu führen, dass Einzelne Kirchengebäude als legitimes Ziel für Übergriffe betrachten.”