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Upgrade für Pflegekräfte – Künftig auch medizinische Befugnisse

Pflegekräfte sollen künftig mehr Eigenverantwortung übernehmen. Und sie sollen von bürokratischen Aufgaben entlastet werden. Das will der Bundestag am Donnerstag entscheiden.

Sie haben viele Jahre dafür gekämpft. Am Donnerstag will der Bundestag ein Gesetz beschließen, das einen Schub für Deutschlands größte Gesundheitsprofession bedeuten könnte: Gut ausgebildete Pflegekräfte sollen künftig auch Leistungen erbringen können, die bislang Ärzten vorbehalten sind. Das gilt etwa für die Bereiche Diabetes, Wundmanagement und Demenz.

Das Ziel des Gesetzes: die Kompetenzen von Pflegekräften besser zu nutzen, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und zugleich Ärzte zu entlasten. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sagte dazu am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin: “Wir schaffen damit, dass Pflegekräfte künftig das machen dürfen, was sie eigentlich sehr gut können, was sie viele Jahre in der Berufserfahrung gelernt haben.”

Die Grünen kritisierten das Gesetz dagegen als unzureichend. Es sei halbherzig, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Janosch Dahmen, in der ARD. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) kritisierte im Vorfeld, die Pläne seien bei weitem nicht ausreichend, da nicht einmal zwei Prozent der Pflegekräfte davon profitieren könnten.

Wie so oft, steckt der Teufel im Detail. Welche Leistungen Pflegekräfte künftig konkret übernehmen dürfen, soll eine eigene Kommission der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens unter Beteiligung der Pflegeorganisationen festlegen. Der Deutsche Pflegerat hatte das Gesetzesvorhaben im Vorfeld gelobt. Damit werde der Pflegeberuf als eigenständiger Heilberuf erstmalig fest in der Gesundheitsversorgung verankert, sagte Präsidentin Christine Vogler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie warnte zugleich vor einer Verwässerung.

Vogler nannte als Beispiel das Wundmanagement: Warte die Pflegekraft auf das Go des Hausarztes, um eine Matratze zur Verhinderung eines Dekubitus zu verschreiben, verliere man “kostbare Zeit”. Am Ende gebe es nur Verlierer: Patient, Arzt, Pflegekraft, Beitragszahler. “Wollen wir das so weiterlaufen lassen?”

Ärzteorganisationen sehen die erweiterten Kompetenzen dagegen mit Skepsis: Einerseits könnten etwa Hausärzte künftig durch gut qualifizierte Pflegekräfte entlastet werden. Zugleich warnte die Bundesärztekammer aber davor, bei der Ausweitung heilkundlicher Tätigkeiten ärztliche Kernkompetenzen anzugreifen.

Das von der schwarz-roten Koalition eingebrachte Pflegekompetenzgesetz beruht auf einem Gesetzentwurf der vorhergehenden Ampelkoalition, der wegen des vorzeitigen Bruchs der Regierung nicht mehr beschlossen wurde. Es sieht auch mehrere Maßnahmen zu verbesserter Pflegeberatung und Entbürokratisierung der Pflege vor.

So erhalten Pflegebedürftige, die zu Hause versorgt werden, einen leichteren Zugang zu Präventionsleistungen. Das Gesetz soll darüber hinaus eine Vielzahl neuer Wohnformen ermöglichen. Die Kommunen erhalten künftig mehr Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Zulassung von Pflegeeinrichtungen.

Pflegekräfte sollen dadurch entlastet werden, dass der Umfang der Pflegedokumentation gesetzlich begrenzt wird. Zudem sollen Heimaufsicht und Medizinische Dienste bei Prüfungen der Heime und ambulanten Dienste besser zusammenarbeiten. Doppelprüfungen sollen so weit wie möglich verhindert werden. Bei ambulanten Pflegediensten und teilstationären Pflegeeinrichtungen, die eine hohe Qualität aufweisen, soll der Zeitraum bis zur nächsten Prüfung von ein auf zwei Jahre verlängert werden.

Insgesamt verspricht sich der Gesetzgeber von dem Gesetz nicht nur eine Entlastung und Stärkung der Medizin- und Pflegeberufe, sondern auch eine erhebliche finanzielle Entlastung für Wirtschaft und die Krankenkassen. Durch die Einbindung der Pflege in medizinische Aufgaben rechnet die Bundesregierung mit Minderkosten für die Wirtschaft in Höhe von 92,5 Millionen Euro jährlich, der größte Teil davon durch wegfallende Bürokratie. Für die Pflegeversicherung werden mittelfristig Minderausgaben von rund 328 Millionen Euro jährlich prognostiziert.