Es war vor über zwei Jahren, als mich eine Überschrift in unserer Tageszeitung elektrisiert hat: „Rhön als Sternenpark anerkannt“. Das Bild zum Artikel war einmalig: vorn ein dunkles steinernes Denkmal und am ebenfalls dunklen Firmament unzählige feine lichthelle Kreise um den Himmelsnordpol. Ein faszinierendes Bild.
In städtischen Gegenden: Lichtverschmutzung
Bislang war doch „die Nacht des Tages Feind“. Weil die Gefahren aus dem Dunkel kamen, erhellte man die Nächte. Seither wölbt sich das diffuse Licht wie eine Glocke über die Städte. So kam neben dem „Sternenpark“ ein weiteres neues Wort dazu: „Lichtverschmutzung“. Über den nachthellen Städten kann man zwar den Mond sehen, aber die Sterne nicht mehr erkennen. Welch ein Verlust. Ich genieße es immer, wenn ich aus unserem Haus herausgehe und am wolkenfreien Firmament eine Vielzahl von Sternen sehen kann. Nun hat der Genuss plötzlich einen Namen: Sternenpark!
Ein noch größerer Genuss ist es, nachts auf die Berge der Rhön zu steigen. Und so wandere ich auf den Feuerberg, der gegenüber dem Heiligen Berg der Franken, dem Kreuzberg, liegt. Hier ist es noch dunkler als auf jenem Gipfel. Und noch stiller. Denn zum Genuss für die Augen im Sternenpark gehört der Genuss der Stille. Der Weg geht über lichte Matten, von Wäldern durchbrochen, in die Höhe hinauf. Es ist ein Aha-Erlebnis, aus der letzten Waldfläche zu treten und auf der Höhe des Berges in die Weite eines grandiosen Sternenhimmels zu blicken.
Der Alltag relativiert sich unter den Sternen
Fast alpin ist es hier oben. Ein kalter Wind umgibt mich. Ich nehme mir Zeit und genieße die ganz besondere Atmosphäre hier oben. Das Firmament wirkt wie ein unendlich großer Dom, aber ohne Wände – so umhüllt es uns ganz mit einer unendlichen Weite. Der gestirnte Himmel mit den Abertausenden Sternen über mir, und unter mir die Täler der Rhön, mit dem Gewöhnlichen des Alltags: Diese Komposition der Natur gibt mir das Gefühl, aus allen Niedrigkeiten enthoben zu sein. Hier oben ist der Alltag relativ. Diesen Abstand braucht es immer wieder. Alles erscheint in einem anderen Licht – dennoch entsteht dadurch wieder eine Nähe zum Leben in den Tälern des Lebens. Abstand schafft Nähe, das ist meine Erfahrung.
Christian Morgenstern hat recht, wenn er sagt: „Man muss seinen Pflug an die Sterne hängen, um auf der Erde eine gerade Furche zu ziehen.“ Die Eile gehört in die Täler. Um die Atmosphäre hier oben zu genießen, braucht man eine gewisse Zeit. Dann kommt das Staunen. „Blick ich empor zu jenen lichten Welten und seh’ der Sterne unzählbare Schar … wie groß ist Gott“, so heißt es in einem Lied.
Mein Blick geht über das Tal hinüber zum Kreuzberg, dessen schwach rot beleuchtete, riesige Antenne wie ein erhobener Zeigefinger aussieht. Dahinter erkenne ich den Heidelstein auf dem Hochplateau der Langen Rhön. Dann wandert der Blick zur höchsten Erhebung, der Wasserkuppe. Alles ist nur schemenhaft und geheimnisvoll zu erkennen. Gerade das Schemenhafte der Landschaft lässt den Blick zu den Sternen gehen.
Da kommt mir noch etwas anderes in den Sinn. Es wird etwas wach in mir, was sonst nicht so leicht nach oben kommt! „Weißt du, wie viel Sternlein stehen?“ Jenes alte Kinderlied aus längst vergangenen Tagen. Wie viel Trost hat mir dieses Lied in Kindertagen gegeben!
Am Tag lockt der Blick in die Ferne
Jetzt erwacht auch der Romantiker in mir und damit Joseph von Eichendorff: „Die Luft ging durch die Felder … Es rauschten leis’ die Wälder, so sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.“
Welch eine Fülle kam in mir zum Klingen auf der nächtlichen Höhe des Feuerbergs unter dem Dom des Sternenhimmels. Mein Empfinden wurde wesentlicher, meine Gedanken klarer. Doch, wir brauchen die Nächte. Sie ergänzen den Tag.
Das Biosphärenreservat Rhön wird bislang als „Land der offenen Fernen“ bezeichnet. Das gilt für den hellen Tag. Mit dem anerkannten Sternenpark kommt die Weite des Himmels in der Nacht dazu. Eine wunderbare Ergänzung.
Fritz Schroth ist Mitglied der bayerischen Landessynode. Er lebt seit 46 Jahren in der Rhön und genießt in jeder klaren Nacht den Himmel über dem Sternenpark Rhön.