Für die Wahl des „Unworts 2023“ hat die Jury der sprachkritischen Aktion mehr als 2.100 Einsendungen erhalten. Rund 500 verschiedene Begriffe seien als kritikwürdig vorgeschlagen worden, sagte die Jurysprecherin, die Marburger Professorin für Pragmalinguistik Constanze Spieß, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Vorjahr waren es knapp 1.500 Einsendungen zu ebenfalls rund 500 Wörtern gewesen. Die Wahl wird am 15. Januar 2024 verkündet.
Begriffe aus gesellschaftlich brisanten Themen
Sozialpolitik, Klimakrise, Migration oder Krieg – einzelne „Unwort“-Vorschläge seien etwa der Begriff „Remigration“ für Abschiebung, „Abnutzungskrieg“ für erbitterte Kampfhandlungen oder „soziale Hängematte“ für Bürgergeld. Auch „Sozialklimbim“ für soziale Leistungen, „Stolzmonat“ als Lächerlichmachung des „Pride Month“ der LGBTQ-Bewegung oder „Abschiebepaket“ für Maßnahmen zur schnelleren Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern seien genannt worden. Die Corona-Pandemie sei anders als in den Vorjahren kein Thema mehr gewesen.
Die Jury will mit der jährlichen Wahl des „Unworts des Jahres“ seit 1991 kritische Diskussionen über den öffentlichen Sprachgebrauch anregen. Sie wähle Begriffe aus, die gegen das Prinzip der Menschenwürde oder der Demokratie verstoßen, die einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die beschönigend, verschleiernd oder irreführend sind, erklärte Spieß.
Gegner der Wahl bezeichnen Jury als “Sprachpolizei”
In einer Reihe von Einsendungen werde die Jury auch beschimpft, ergänzte die Sprecherin. Sie spiele sich als „Sprachpolizei“ auf und verbiete die freie Wortwahl, lauteten polemische Vorwürfe. „Man darf nicht alles sagen“, behaupteten manche. Dabei verbiete niemand die freie Meinungsäußerung, entgegnete Spieß. Diese Gegner der „Unwort“-Wahl seien in Wirklichkeit nicht bereit, Verantwortung für ihre Äußerungen zu übernehmen und sich mit einer Kritik daran auseinanderzusetzen.
Der ehrenamtlichen Jury gehören neben der Vorsitzenden an: die Sprachwissenschaftler Kristin Kuck (Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien) und David Römer (Universität Kassel) sowie die Journalistin und Dozentin Alexandra-Katharina Kütemeyer. Sie werden in diesem Jahr durch den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz ergänzt.
Das erste Unwort des Jahres 2022 lautete „Klimaterroristen“. Die ersten Unwörter der Vorjahre lauteten Pushback (2021), „Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“ (2020), „Klimahysterie“ (2019), „Anti-Abschiebe-Industrie“ (2018), „alternative Fakten“ (2017), „Volksverräter“ (2016), „Gutmensch“ (2015) und „Lügenpresse“ (2014).