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Unter Geschwistern

Über den Predigttext zum 10. Sonntag nach Trinitatis: Römer 11,25-29.33-36

Predigttext
25 Ich möchte, dass ihr dieses Geheimnis kennt, Geschwister, damit ihr die Dinge nicht nur nach eurer Vernunft urteilt: Über einen Teil Israels erging eine Verhärtung. Sie wird so lange anhalten, bis die Völker vollzählig hinzugekommen sind. 26 Auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden, wie es aufgeschrieben ist: Aus Zion wird die Rettung kommen, sie wird Jakobs Trennung von Gott aufheben. 27 Und dieses ist mein Bund mit ihnen, wenn ich das von ihnen begangene Unrecht wegnehme. 28 Im Blick auf das Evangelium sind sie feindlich gesinnt – um euretwillen. Im Blick auf die Auserwählung sind sie Geliebte, auf Grund ihrer Mütter und Väter. 29 Denn Gott bereut es nicht, in freier Zuwendung Geschenke gemacht und Menschen gerufen zu haben. Das gilt unwiderruflich. (…) 33 Welch‘ unermesslicher Reichtum Gottes, welch‘ tiefe Weisheit und unerschöpfliche Erkenntnis! Unerforschlich sind die göttlichen Entscheidungen, unergründlich die göttlichen Wege. 34 Denn wer hat je die Gedanken der Lebendigen erfasst? Wer hat ihr je einen Rat gegeben? 35 Wer hat Gott jemals etwas gegeben, das zurückerstattet werden müsste? 36 Alles hat seinen Ursprung in Gott, alles existiert durch Gott und auf Gott hin. Ehre sei Gott durch Zeiten und Welten, Amen. (Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache)

Das gilt unwiderruflich“, schreibt Paulus. Unerhört und doch so schlüssig. Warum erkannten wir Christen nicht Israel, die Geliebte Gottes ewig und das heißt immer wieder neu? Warum erkennen es so viele immer noch nicht? Paulus ringt hier um Erkenntnis von Gottes Handeln und gleichzeitig um die Einsicht der Gemeinde, um unsere Einsicht.

Es kommt Erkenntnis auf dich zu mein Kind / Mit dem Kummer – und die Seele macht dich blind / Und kein Mensch will dich verstehen / Geh hindurch und du wirst sehen / Es kommt Erkenntnis auf dich zu mein Kind

Für Paulus reimt sich das Vertrauen auf den Messias Jesus nicht auf Stolz. Spätere Generationen konnten Jude nicht mehr auf Christ reimen und Gottes Verheißung nicht auf Israel.

Ungereimtes  schwirrt durch die Luft. Bei Gott reimt es sich: Vor Gott sind alle Menschen gleich, aber untereinander fühlen sie sich nicht gleich. Einer erhebt sich über die andere. Mann über Frau, Weiß über Schwarz, Christen über Juden, Kirche über die Synagoge. Es ist zum Verzweifeln.

Es kommt viel Zweifel auf dich zu mein Kind / Wir Menschen sind nicht wie wir gerne sind

Gottes Geschichte beginnt und geht weiter mit Israel. Das kleinste unter den Völkern. Ein großes Geheimnis, für viele ein Ärgernis, ein Skandalon, bis heute: Dies Partikulare, wo wir doch universell sein wollen und glauben. Am und vom Volk Israel können wir lernen, dass das nicht getrennt sein darf. Das Kleine vom Großen.

Es kommt auch Hoffnung auf dich zu mein Kind / Sieh die Spinne wie sie ihr Zuhause spinnt / Du darfst ruhig mal verlieren / Aber dann nicht resignieren

Paulus ringt, fast fühlen wir seinen Schmerz. Alle Menschen sollen doch ihre Knie beugen vor ihm, dem Gott Abrahams und Saras, Jakobs und Rebeccas, dem Vater Jesu Christi. Alle Juden, alle Völker, alle auf gleiche Weise.
Vor Gott sind alle Menschen gleich. Warum glauben nicht alle, dass Jesus als Retter für alle gekommen ist? Paulus weint.

Es kommt viel Trauer auf dich zu mein Kind / Mit der Zeit und mit dem Tod und mit dem Wind

Feindlich gesinnt – um euretwillen, damit die Botschaft zu den Völkern kommt, die Völker eine Chance haben, sich zu dem Gott Israels zu bekennen.

Und dann, dann singt Paulus dieses merkwürdige Lied vom unermesslichen Reichtum Gottes, seiner Weisheit und Erkenntnis.

Ein Sakrament, diese Bewegung Gottes zu den Völkern, die Israel nicht verlässt.
Wir dürfen glauben: Gott hat alle Menschen gleich geschaffen und der Erstgeborene bleibt ihm oder ihr wertvoll. Alle sind vor ihm gleich, so verschieden wir auch sind, glauben, leben – das können wir von unserm Verhältnis zu Israel von Paulus lernen. Schwer zu glauben – und/oder deshalb eine große Verheißung. Ehre sei dem Gott Israels und Vater Jesu Christi durch die Zeiten und Welten.

Dann kommt auch Freundschaft auf dich zu mein Kind

Die kursiv gesetzten Texte sind Auszüge aus: Hanns Dieter Hüsch, Leichtes Land.