Hausaufgaben gleich nach dem Mittagessen, gemeinsames Spielen am Wochenende: Beides kann Kindern und Jugendlichen eine entscheidende “Superkraft” verleihen, sagt ein Experte. Er verrät das Geheimnis der Selbstregulation.
Schon mit einfachen Spielen tun Eltern ihren Kindern etwas Gutes: Selbst “Mau-Mau” oder “Mensch ärgere dich nicht” bieten nach Worten des Bildungsforschers Ulrich Trautwein eine Gelegenheit zum Lernen. “Gut ist es immer, wenn die Erwachsenen ein positives Beispiel geben, wie man mit negativen Emotionen umgeht”, sagte er der “Welt” (Freitag). Das bedeute etwa, beim Spielen nicht beleidigt oder ausfällig zu reagieren: Kinder lernten auf diese Weise, welches Verhalten in welcher Situation angemessen sei.
Mit Regeln und Emotionen umzugehen, falle vielen jungen Menschen heutzutage schwer, sagte Trautwein. Er verwies auf Berichte über Klassen, in denen Unterricht nicht möglich sei. Auch würden ADHS oder Angststörungen häufiger diagnostiziert. Beides deute auf “eine Epidemie der eingeschränkten Selbstregulation” hin: Gewissenhaftes Arbeiten leide, ebenso Motivation und die Fähigkeit, Versuchungen auch einmal zu widerstehen.
Hilfreich seien klare Absprachen in Familien – kein “militärischer Drill, sondern eine transparente Struktur mit einer gewissen Regelmäßigkeit”. So könne eine bestimmte Zeit vereinbart werden, in der die Hausaufgaben erledigt würden, sagte der Tübinger Professor. Wenn man dagegen nicht wisse, “was Sache ist, erzeugt es Stress – und das raubt Ressourcen für die Selbstregulation.”
Diese Struktur sei während der Corona-Zeit häufig weggefallen, sagte Trautwein. “Etwas drastisch ausgedrückt: In dieser Generation geht es drunter und drüber.” Übermäßiger Medienkonsum verstärke diese Entwicklung. Allerdings gebe es auch Apps, die bei der Selbstregulation helfen könnten. Und: “Wenn ein Kind, das insgesamt sehr aktiv ist, also beispielsweise viel Sport treibt, in der Schule gut mitmacht und sich mit Freunden trifft, etwas viel an der Konsole zockt, ist das wahrscheinlich relativ unschädlich.”
In der frühen Pubertät seien zudem Antidepressions-Trainings sehr wirksam, betonte der Experte. “Sie helfen, schädliche Gedanken, die eine Depression begünstigen, zu kontrollieren: ‘Ich kann es nicht so gut wie die anderen’, ‘Ich bin ein Versager’, “Ich entspreche nicht dem Ideal’.” Im Koalitionsvertrag hat die neue Bundesregierung die Strategie “Mentale Gesundheit für junge Menschen” festgelegt – Fachleute sehen es als Kernaufgabe, sowohl deren psychotherapeutische Versorgung als auch vorsorgende Angebote auszubauen.