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Ungleich geachtet – ungleich entlohnt

Gemeinsame Erklärung vom Deutschen Frauenrat und vom Bundesforum Männer fordert, die zumeist von Frauen geleistete Sorgearbeit ins Zentrum der Diskussion zu rücken

Anlässlich des „Equal Pay Day 2016“ haben der Deutsche Frauenrat und das Bundesforum Männer angemahnt, viel stärker die unbezahlte Sorgearbeit in Familien wie im Ehrenamt, die zumeist von Frauen geleistet werde, in den Fokus zu stellen. Bisher stehe bei den Diskussionen um Entgeltgleichheit in der Regel die bezahlte Erwerbsarbeit im Mittelpunkt, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die wir hier dokumentieren.

„Von der Arbeit in der Familie behaupten viele PolitikerInnen und ÖkonomInnen, sie sei unbezahlbar – und zwar im doppelten Sinne“, sagt Hannelore Buls, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats. „Da ist vor allem die Rede von der ‚aus Liebe‘ zur Familie erbrachten Betreuungsleistung oder vom Ehrenamt für die ‚Rettung der Menschheit‘ und, meist etwas leiser, auch davon, dass die Milliarden unbezahlter Arbeitsstunden, wollte man sie tatsächlich bezahlen, unfinanzierbar seien. Die geschlechtsspezifische Entgeltlücke rührt zum Teil daher, dass so eine Konkurrenz der unbezahlten zur bezahlten Arbeit entsteht, in deren Folge die professionelle Sorgearbeit zu gering bewertet wird. Geringschätzung von Frauen und ihrer Arbeitsleistung führt zu Entgeltdiskriminierung, dem Equal Pay Gap – und zur ungerechten Verteilung der Sorgearbeit, dem Equal Care Gap. Ein Teufelskreis, den wir endlich durchbrechen müssen“, so Hannelore Buls.„Wir fordern deshalb weiter die finanzielle Aufwertung dieser Berufe, die auch der unbezahlten Arbeit mehr gesellschaftliche Wertschätzung bringen würde.“

„Die Bewertung von Arbeit in unserer Gesellschaft orientiert sich seit den Zeiten der Nationalökonomie noch immer an Faktoren der Produktivität und des Wachstums. Die Bewertung von Arbeit wird radikal vom Privaten getrennt: Produktion versus Reproduktion. Dabei wird ignoriert, dass Produktion auf den Reproduktionsleistungen unterschiedlichster Art basiert: Wachstum ist ohne Für-sorge nicht zu haben!“, betont der Vorsitzende des Bundesforums Männer Martin Rosowski. Er stellt fest: „Rollenstereotype sind noch immer Platzanweiser: den Frauen das Leben, den Männern das Materielle. In der ökonomischen Bewertungstheorie schlägt sich diese Teilung zugunsten des Materiellen nieder. Damit geht zugleich eine Abwertung solcher Männer einher, die im beruflichen Kontext offensiv Zeit und Raum für die Wahrnehmung ihrer Fürsorgeverantwortung in ihren ‚nicht-erwerblichen‘ Lebensbereichen einfordern.“

Sorgearbeit in Familie und Gemeinwesen wird im Bruttoinlandsprodukt bisher nicht erfasst. Sie gilt in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als Freizeit, die ohne geldlichen Wert und deshalb nicht handelbar ist. Doch trägt diese unbezahlte Sorgearbeit einen erheblichen Beitrag zum tatsächlichen materiellen und immateriellen Wohlstand der Gesellschaft bei. Der Wert der dabei erstellten Güter und Dienstleistungen wird aber weder bemessen noch anerkannt.

Eine volkswirtschaftliche Bewertung und eine gesellschaftliche Aufwertung der unbezahlten Sorgearbeit sind deshalb ebenso überfällig wie eine Neubewertung von professionellen Dienstleistungen am Menschen. „Dabei muss zur Kenntnis genommen werden, dass heute auch Männer einen nicht unerheblichen Beitrag zur unbezahlten Arbeit leisten. Auch Zeit, die Männer fürsorglich mit ihren Kindern, Familie und kranken Angehörigen verbringen, ist produktive Zeit für die Gesellschaft“, betont der Vorsitzende des Bundesforums Männer.

Ohne geschlechtergerechte Verteilung der Sorgearbeit wird es keine Entgeltgleichheit geben – und umgekehrt. Darin sind sich der Deutsche Frauenrat und das Bundesforum Männer einig.