“Existiere ich noch, wenn ich nicht poste?” Das fragen sich offenbar nicht wenige Influencerinnen und Influencer. Mehr Reichweite bedeutet laut einer neuen Studie aber nicht unbedingt mehr Glück.
Influencerinnen und Influencer auf Social Media gelten als Prototypen der digitalen Freiheit. Doch einer neuen Umfrage zufolge leiden viele unter Erfolgsdruck. “Wachsende Reichweite bedeutet nicht automatisch mehr Freiheit – im Gegenteil”, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Befragung von Wissenschaftlern der privaten EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel. “Je größer die Reichweite, desto geringer oft die gefühlte Selbstbestimmung.”
Das Forschungsteam führte nach eigenen Angaben zwischen 2022 und 2023 über acht Monate Interviews mit 31 europäischen Lifestyle-Influencerinnen und -Influencern mit sehr unterschiedlichen Reichweiten durch – “von Nano- bis Mega-Creators mit bis zu 5,5 Millionen Followern”. Die rund 29 Stunden Interview-Material seien inhaltlich-thematisch ausgewertet worden.
Viele der befragten Influencer erlebten demnach den digitalen Erfolg zunehmend als Einschränkung, hieß es. Sie berichteten von der Angst, den Erwartungen der Community nicht mehr zu genügen, von innerem Druck zur Dauerpräsenz – und vom Gefühl, als Mensch hinter den geposteten Inhalten unsichtbar zu werden. “Ich frage mich manchmal: Existiere ich noch, wenn ich nicht poste?”, beschreibt eine befragte Person mit mehr als drei Millionen Followern die emotionale Belastung, die mit dem ständigen Online-Sein verbunden sei.
Zu Beginn der Influencer-Karriere dienten als Antrieb Prestige und Bekanntheit, Selbstverwirklichung, Freiheit sowie finanzieller Erfolg. Dies kippe aber nicht selten, wenn es einen “Verlust echter Beziehungen” gebe oder wenn der “Druck zur Selbstoffenbarung” stärker werde, so die Wissenschaftler. Kipppunkte seien zudem die Angst vor Hass im Netz oder die Anpassung an Plattformregeln. Der eigene Job werde auch dann stärker hinterfragt, wenn Follower-Erwartungen und die finanzielle Abhängigkeit vom Posten zunehmend das Leben bestimmten.
“Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Beruf des Influencers nicht einfach nur ein Job ist – es ist ein komplexer, sich entwickelnder Beruf, der von Paradoxien und persönlichen Dilemmata geprägt ist”, erklärt Franziska Krause, Professorin für Marketing an der EBS Universität. Ihr Rat: “Für junge Creatoren und Creatorinnen ist es wichtig, frühzeitig über mentale Gesundheit, Zielklarheit und Ausstiegs-Szenarien nachzudenken.”