5 Prozent oder 10 oder gar nichts? Kartenlesegeräte können beim Zahlen an Verkaufstheken Trinkgeld-Optionen anbieten. Die Auswahl kann Druck erzeugen, mehr zu geben als gewollt – das sogenannte Nudging ruft Kritik hervor.
Schnell ein Brot beim Bäcker kaufen, mit Bankkarte zahlen – dann die Überraschung: Auf dem Screen des Kartenlesegeräts taucht eine Trinkgeld-Auswahl auf. Das fällt unter den Begriff des “Nudgings”. Das bedeutet, in eine bestimmte Richtung “geschoben” werden. So mancher Kunde lässt sich spontan dazu bringen, mehr Geld zu senden als ursprünglich gewollt. Auch wird niedrigste Option möglicherweise nicht gewählt – aus Sorge, geizig zu wirken.
Der Bildschirm des Zahlgeräts gibt etwa zur Auswahl, 5, 10 oder 15 Prozent des Kaufpreises als Trinkgeld mitzusenden. Bereits diese Aufforderung ist nach Ansicht des Knigge-Experten Clemens Graf von Hoyos uncharmant: Denn die angezeigte Auswahl impliziere, dass der Kunde Trinkgeld geben wolle. “Aber Trinkgeld ist immer eine freiwillige Leistung, die ich dann gebe, wenn ich a) dazu Lust habe oder b) vom Service überzeugt gewesen bin”, sagt Hoyos. Festzulegen, dass ein Kunde Trinkgeld geben solle, sei dementsprechend bevormundend.
An Orten, an denen es unüblich sei, Trinkgeld zu geben – wie an Verkaufstheken von Bäckereien oder Imbissen – sollte niemand dazu aufgefordert werden, sagt der Referent der Verbraucherzentrale Niedersachsen, Philipp Rehberg. Vor allem dort müsse es möglich bleiben, eine Kartenzahlung durch bloßes Auflegen oder Einstecken der Karte auszuführen, ohne Trinkgeld zu geben oder sich dazu zu dieser Frage verhalten zu müssen. “Eine digitale Trinkgeldoption sollte so gestaltet sein, dass sie von der Kundschaft zunächst aktiv und bewusst aufgerufen werden muss.”
Die unverblümte Aufforderung, Trinkgeld zu geben, könne durchaus Druck ausüben, erklärt Rehberg. Kunden sollten nicht durch ein voreingestelltes Trinkgeld überrumpelt werden. Die Möglichkeit, einen prozentualen Anteil am Preis durch Tastendruck als Trinkgeld zu geben, sei aber durchaus praktisch. Denn sie erspare es, vorher ausrechnen zu müssen, welcher Aufrundungsbetrag in der jeweiligen Situation angemessen wäre.
“Wie bei einer Barzahlung sollte es weiterhin möglich sein, zu bezahlen und kein Trinkgeld zu geben, ohne zuvor eine Voreinstellung ändern zu müssen”, betont Rehberg. Teils werde dies aber verlangt; das ist nach Ansicht der Verbraucherzentrale Niedersachsen eine unangemessene Beeinflussung der Kundschaft. Bereits die Vorgabe, eine Taste “Kein Trinkgeld” betätigen zu müssen, gehe zu weit. Ganz besonders gelte dies dort, wo Trinkgeld ohnehin unüblich sei – wie an Verkaufstheken.
Und wenn es dennoch so gehandhabt wird – wie mit diesem unguten Gefühl umgehen? “Jeder darf aus dem Selbstverständnis heraus, dass es eine freiwillige Leistung ist, ablehnen, Trinkgeld zu geben”, sagt Knigge-Experte Hoyos. Das brauche niemandem unangenehm zu sein: “Ein freundliches ‘nein danke’, ein Kopfschütteln und die Sache ist gegessen.”