Idyllisch am Ende einer Straße liegt ein Gebäude zwischen Wald und See. Es beherbergt eine sogenannte Wohngruppe für knapp vorpubertäre Jungen. Und bietet sogar einen weitläufigen Spielplatz mit Klettergeräten und Bäumen direkt am Strand. Das ist das äußere Setting für den Dokumentarfilm „Im Prinzip Familie“ von Daniel Abma.
Im Haus selbst leben in Einzelzimmern etwa acht Kinder, die im Schichtdienst betreut werden: Eine Erzieherin und zwei Erzieher kümmern sich wie „echte“ Eltern um alles: vom morgendlichen Aufwecken bis zum Abendbrot, ums Kochen, Schachspielen, Streitschlichten, Wäschewaschen und den Schultransport. Dazu kommt eine Menge Bürokratie mit Tätigkeitsberichten, Abrechnungen, Behördenbriefen sowie die Kommunikation mit Eltern.
Der an der HFF Babelsberg ausgebildete Regisseur und studierte Grundschulpädagoge Daniel Abma hat sich seinem Sujet über viele Jahre angenähert und dann über ein ganzes Jahr lang mit Kameramann Johannes Praus in unterschiedlichsten Situationen im Haus am See gedreht. In der endgültigen Montage stehen mit Kelvin und Niklas zwei Söhne alleinerziehender Mütter im Fokus, die durch deren Alltagskämpfe selbst vor besonderen Herausforderungen stehen.
Bei Kelvin, dessen Familie aus Kamerun stammt, kommt noch der ihn schwer belastende alltägliche Rassismus dazu. Ziemlich typische Fälle, meint einer der Erzieher. In dem Haus mit seinen stabilen Verhältnissen versuchen die Betreuer, den Kids den emotionalen Rückhalt und die Sicherheit zu bieten, die ihnen die Familien derzeit nicht geben können – und so den Kreislauf familiärer Dysfunktionalität zu unterbrechen.
„Zeigen, wie es funktionieren kann“, so nennt das die Erzieherin, „ohne wirklich den Charakter zu verändern, sondern jeden mit seinen Eigenheiten so zu nehmen, wie er ist.“ Ihre humorvoll heitere Art ist da hilfreich. Die Männer, einer war vorher Berufssoldat, geben eher die ergänzende klare Kante, lassen den Jungen aber trotz Ansagen im Alltäglichen Freiheit bei den sie betreffenden wesentlichen Entscheidungen: etwa einem geplanten Klinikaufenthalt oder der Frage, zu welchem Elternteil sie später dauerhaft wollen. Denn nach der Rückkehr zu ihren Familien sehnen sich beide Jungen auf jeden Fall.
Der beobachtend angelegte Film zeigt Aufbrüche, Rückschläge und Wiederaufbruch zwischen Tobsuchtsanfall, offenem Gespräch und einem Besuch im Straußenstall. „Im Prinzip Familie“ endet hoffnungsvoll. Regisseur und Produktion betonen ihr Anliegen, die gesellschaftliche und die individuelle Bedeutung der immer noch unterschätzten und unterbezahlten Arbeit von Erziehern und Erzieherinnen bei allen Einsatzmöglichkeiten zu zeigen und aufzuwerten. Das ist ihnen bestens gelungen.