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Theologische Fragen zur Rechtfertigungslehre

UK 45/2017, Abschluss Reformationsjubiläum (Seite 2: Interview mit Traugott Jähnichen: „Wie geht es jetzt weiter?“)
Kurz nach dem formalen Schluss des großen Reformationsjubiläums häufen sich zum Beispiel professorale Stimmen im Sinne des „Wie nun weiter?“. Besonders fruchtbar erscheint mir die Position von Herrn Professor Jähnichen; sein Vorschlag: „sich weiter an dem Reformator reiben, Entdeckungen machen, sich mit ihm auseinandersetzen.
Ich denke da vor allem an die sich wesentlich aus der Rechtfertigungstheologie Luthers ergebende Begrifflichkeit, gebündelt in der sogenannten Begriffsquadriga: sola gratia (allein (Gottes) Gnade; solus Christus/allein Jesus Christus; sola fide/allein im Glauben; sola scriptura/allein die (Heilige) Schrift. Herrscht wirklich Klarheit über
l die jeweilige Wendung:
l über deren Verhältnis untereinander und deshalb ihre Abfolge;
l über deren Auswirkungen auf die theologische Entwicklung;
l über deren „Potenziale“ (Jähnichen) für die Weiterentwicklung?
Greift man Letzteres (die Weiterentwicklung) einmal heraus, so stellen sich (zum Teil wiederholt) unter anderem folgende Fragen:
l Verständnis von „gratia“: wirklich nur „Gnade“ im Sinne von Rechtfertigung des Sünders?
l Verbleib des Heiligen Geistes: Kommt er in jener Quadriga nicht viel zu kurz? Immerhin gibt es im Neuen Testament rund 180 Stellen, die sich mit „Geist“ (pneuma), davon rund 60, die sich mit „Heiligem Geist“ (pneuma hagion) befassen.
l Wie steht es um das Miteinander von „solus Christus“ und Jesus? War dieser Jesus nicht der Impulsgeber für den Glauben an Christus als den „Gesalbten Gottes“?
l Vollendet sich Glaube nicht erst im Tun, bedarf es wirklich keiner Vorleistungen zur Heilserlangung?
l Lässt Schrift als alleiniger Verkündigungsmaßstab bestimmte Positionen außer Betracht, zum Beispiel die folgende: „So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.“ (Jakobus 2,17)
Wahrhaft: Nicht nur „ecclesia“, auch „theologia semper reformanda“.

Dr. theol. H. Dieter Burkert, Dortmund